Akademikerball 2017

Wenn es einen Ort gibt, an dem sich Heinz-Christian Strache, ein deutscher Holocaustverharmloser und ungarische Neonazis gemeinsam wohl fühlen, dann ist das ein Hinweis auf ein ziemlich großes Problem. Vor allem, wenn dieser Ort die Wiener Hofburg ist und wir nicht von einem einmaligen, zufälligen Zusammentreffen, sondern einer jährlichen Großveranstaltung reden: Dem Wiener Akademikerball. Das Tanzvergnügen wurde früher vom deutschnationalen Burschenschafter-Bund WKR veranstaltet, nach der skandalösen Entscheidung, gerade am internationalen Holocaustgedenktag zu tanzen und dem folgenden politischen Aufschrei übernahm aber der FPÖ-Parlamentsklub die Schirmherrschaft. Und während früher an die 2000, heute unter 900 Ballgäste das (rechte) Tanzbein schwingen versuchen in der Wiener Innenstadt Antifaschist*innen wie wir von REVOLUTION die Zufahrt zum Parkett zu blockieren.

Burschenschaften – die rechte Seite der Unis

Den Kern des ehemaligen WKR-Balls stellen die Verbindungen des Wiener Korporationsrings. Das ist ein Verbund von deutschnationalen Männerbünden, hauptsächlich Burschenschaften, in Österreich. Selbst im deutschen Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ stehen die selbstbezeichneten „Ostmärker“ weit rechts. Burschenschaften sind eine besondere Form der Studentenverbindung. Sie haben ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert, wo Studenten sich mit Waffen übten und politische Ideen diskutierten: Besonders der aufkommende Deutschnationalismus (in den aufgespaltenen deutschen Kleinstaaten ebenso eine Minderheitenströmung wie in Österreich-Ungarn) und der Widerstand gegen die Monarchie waren sehr beliebt. Auch in den „bürgerlichen Revolutionen“ um 1848 spielten Burschenschafter eine wichtige Rolle, vor allem aufgrund ihrer Bewaffnung, dem fast geheimbündischen Zusammenhang und den modernen politischen Ideen, die an den Universitäten diskutiert wurden. Neben den klassischen Burschenschaften gibt es auch katholische Verbindungen, die eher rechtskonservativ einzuordnen sind, Corps, die einen parteipolitischen Anspruch meistens ablehnen und sogar Frauenverbindungen, die aber im „Milieu“ eine untergeordnete Rolle spielen. Im WKR organisieren sich aber auch Sängerschaften, Turnerschaften und Landsmannschaften, die politischen Unterschiede halten sich aber in Grenzen, es geht hier eher um verschiedene Traditionen und unter welchem Deckmantel man sich organisierte, wenn Burschenschaften mal wieder verboten waren.

Heute zeichnen Burschenschaften sich vor allem durch drei Eigenheiten aus. Sie sind erstens Männerbünde, Frauen sind ausgeschlossen und auch gegen schwule Männer und Transmänner wird offen gehetzt. Zweitens sind sie deutschnational und damit entweder rechtsoffen, rechtsradikal oder faschistisch durchsetzt. Und drittens funktionieren sie als Drehtür für Beziehungen, Verflechtungen und Abkommen, die nicht an die Öffentlichkeit gelange sollen: Das „Lebensbundprinzip“ besagt sowohl, dass sich die „Bundesbrüder“ untereinander unterstützen als auch, dass darüber nach außen geschwiegen werden soll. Während das bei katholischen Verbindungen vor allem Vorteile bei der Karriere oder bei Geschäften bedeutet (was unter manchen Umständen auch Korruption genannt werden könnte) ist bei den Burschenschaften der politische Einfluss entscheidend. In Österreich findet der überraschenderweise vor allem in der FPÖ statt.

Die rechte Elite

Aber nicht nur die an ihren bunten Kostümen leicht erkennbaren „Burschis“ tanzen am Akademikerball auf, vor allem internationale Gäste aus der rechtsradikalen und rechtspopulistischen Szene versammeln sich hier. So waren in der Vergangenheit ungarische Faschisten der JOBBIK-Partei, der NPD-Liedermacher Franz Rennicke, der Holocaustleugner David Irving und die Chefin des französischen Front National, Marine Le Pen zu Gast.

Die kommen aber nicht wegen den prächtigen Sälen oder den lustigen Verkleidungen. Der Akademikerball ist ein Vernetzungstreffen der Rechten. Hier können sich Faschist*innen, die auf der Straße Migrant*innen und Linke terrorisieren mit Parlamentsabgeordneten und rechten Exponent*innen in verschiedenen Institutionen austauschen. Verbindungen werden geknüpft, gemeinsame Interessen ausgelotet und es wird nach innen Stärke demonstriert. Ein prestigeträchtiges Event im gefragtesten Ballsaal der Stadt zu haben wird von denen, die ganz besessen von dem Gedanken sind, die „Elite“ darzustellen, auch zum Beeindrucken und zur Rekrutierung von Interessierten genutzt. Gerade das ist aber so gefährlich für alle, für die die gesellschaftlichen Vorstellungen der Rechtsradikalen eine Gefahr darstellen – Linke, Frauen, Migrant*innen, Jüdinnen*Juden, LGBTQ-Personen, Arbeitslose und Arbeiter*innen zum Beispiel. Sie sind die Leidtragenden der Politik, die auf diesem Ball geplant und gefeiert wird.

Perspektive: Verhindern

In den letzten Jahren wurden von linken antifaschistischen Organisationen immer wieder Demonstrationen und auch Blockaden gegen den Akademikerball organisiert. Das war eingebettet in Kampagnen vor der Demonstration bei denen die Hintergründe des Burschenschafter-Treffens, die skandalösen Gäste der Vergangenheit und die gesellschaftliche Rolle der bestens vernetzten Rechten aufgezeigt wurden. Es gelang, dem WKR-Ball die Darstellung als harmloses Tanzvergnügen öffentlich lächerlich zu machen und gleichzeitig über Zehntausend Menschen auf die Straße zu bringen. Die Teilnehmer*innenzahl des Balls sank in derselben Zeit massiv, der Beginn des Balls konnte durch die Blockade von Bussen und Taxis mit Ballgästen verzögert werden.

Wir haben mit den Demonstrationen gezeigt, dass es möglich ist, den Rechtsradikalen die Rückzugsräume zur Vernetzung zu nehmen. Leider waren die Blockaden selten erfolgreich, auch die massive Polizeigewalt und die Einschüchterung in den Medien spielte hier eine Rolle. Aber es ist klar, dass es nicht nur notwendig ist, sich den Rechten entgegenzustellen, sondern dass wir damit auch Erfolg haben können.

Was tun?

Wir werden auch dieses Jahr wieder gegen den Akademikerball auf die Straße gehen. Der Aufstieg der Rechten im Jahr 2016 bedeutet auch, dass Kräfte aus dem Umfeld der Burschenschaften und faschistischer Gruppen wie der „Identitären“ im Windschatten rechtspopulistischer Parteien (wie AfD und FPÖ) einen Weg zur einflussreichen Posten wittern. Rechte Vernetzung ist heute so relevant wie in den letzten zehn Jahren nicht mehr – und es ist umso wichtiger, das nicht einfach geschehen zu lassen.

Es wird dieses Jahr keine groß angelegten Versuche geben, den Akademikerball durch Blockaden zu verhindern. Solche Versuche machen auch nur Sinn, wenn sich massenhaft Menschen organisiert daran beteiligen. Wir von REVOLUTION werden aber an der großen Demonstration der „Offensive Gegen Rechts“ teilnehmen, die am 3. Februar um 17:00 bei der U-Bahn-Station Schottentor startet. Komm mit und organisiere mit uns den Widerstand gegen den Rechtswalzer in der Hofburg!