Kampf dem antimuslimischen Rassismus!

Der antimuslimische Rassismus erlebt seit Jahren einen enormen gesellschaftlichen Aufschwung. Es ist auch längst kein Problem mehr, das sich auf rechte bis rechtsradikale Fanatiker*innen beschränkt, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, das die sogenannte politische Mitte ebenso betrifft, und selbst in linken Spektren problematische Auswüchse annimmt. Das Video, das vor kurzem die Runde gemacht hat, indem eine muslimische Frau wüst beleidigt und dann auch noch tätlich attackiert wird, ist auch kein Einzelfall. Viele Betroffene haben auf das Video reagiert und von ähnlichen Erfahrungen erzählt. Mittlerweile sind wir an einem Punkt, an dem rassistische Übergriffe gegen Muslim*innen und im Speziellen gegen muslimische Frauen, zur tagtäglichen Realität geworden sind. Der jüngst veröffentlichte Report der Dokumentations- und Beratungsstelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus belegt dies nochmal deutlich: Von 2017 auf 2018 gab es einen Anstieg von 74% (!) der dokumentierten rassistischen Vorfälle und ganze 83% richteten sich gegen Frauen. Doch woher kommt der antimuslimische Rassismus? Was sind seine besonderen Qualitäten?

Der moderne antimuslimische Rassismus ist ein relativ neues Phänomen. Zugleich wurzeln viele der heute präsenten Bilder jahrhundertelang in die europäische Geschichte zurück. Darstellungen des sogenannten Orients als primitiv, rückständig und despotisch im Vergleich zum modernen und aufgeklärten Westen oder das in Europa verbreitete Schreckbild des expandierenden Osmanischen Reiches als Bedrohung des christlichen Abendlands durch eine islamische Macht haben eine lange Geschichte und werden im modernen antimuslimischen Rassismus oftmals wieder aufgegriffen und auf die „Rasse“, „Natur“ oder „Kultur“ der Betroffenen zurückgeführt.

Mit dem „Krieg gegen den Terror“ ab Anfang des Jahrtausends wurden in Europa alte Feindbilder wie Rassismus gegen Osteuropäer*innen oder Jüd*innen vermehrt durch einen Rassismus gegen Muslim*innen abgelöst. Rassismus selbst hat seinen Ursprung im Kolonialismus des 19. Jahrhunderts in dem weiße Europäer*innen den „unterentwickelten Völkern“ vermeintlich Kultur und Zivilisation bringen würden. Natürlich ging es aber darum die brutale Ausbeutung und Versklavung sowie die hierarchische Überlegenheit zu legitimieren und zu festigen. Dabei hatte auch der antimuslimische Rassismus im Zuge der Kolonisierung der islamischen Welt seine Funktion als Rechtfertigungsideologie zu erfüllen. Ein angeblich seit Jahrhunderten existierender Kulturkampf wie er teilweise von Rechten wie u.a. den Identitären oder dem Christchurch-Attentäter beschworen wird, ist reine Fiktion. Willkürlich werden geschichtliche Ereignisse wie die Türkenbelagerungen oder die Reconquista zu einem geschichtlichen Motiv vermischt. Mit historischer Realität hat das wenig zu tun. Die allermeisten und auch die blutigsten Kriege wurde nämlich nicht zwischen Europa und dem Islam ausgefochten, sondern zwischen den diversen europäischen Mächten.

Die Gefahr einer angeblichen ständigen Bedrohung einer Invasion oder Umvolkung ist nicht ohne Grund auch ein Bild das häufig von rechten, wie der FPÖ, AfD, Identitären etc. quasi in einer Dauerschleife gebracht wird. Dabei spielt die tatsächliche Religionszugehörigkeit oder -ausübung keine Rolle. Die Betroffenen werden als homogene Masse bzw. als „Rasse“ wahrgenommen. Um ihren Rassismus zu verschleiern versteckt man sich dann oft hinter kulturalistischen Verklärungen, die dann von deren Werten, Bräuche, Traditionen etc. sprechen, wo jedoch klar ist, dass die Begriffe nur den verpönten Rassebegriff ersetzen. Rassistische Übergriffe werden auch so gut wie nie als solche behandelt, sondern unter dem Deckmantel der Fremdenfeindlichkeit verharmlost. Nun ist es aber so, dass nur bestimmte „Fremde“ angegriffen werden. Weiße Europäer*innen mit anderen Staatsbürger*innenschaften sind nicht Ziel von Übergriffen; der Begriff Fremdenfeindlichkeit verschleiert echten Rassismus. Gerade in Bezug auf Religion wird auch oft das Argument gebracht, dass man nicht von Rassismus sprechen könne, weil Religion eine individuelle Entscheidung bzw. keine biologische Tatsache ist. Das Individuum und sein Verhalten spielt aber wie bereits erwähnt kaum eine Rolle. Betroffene werden auf Basis rassistischer Kategorien (Aussehen, Kleidung, Sprache etc.) als solche wahrgenommen und diskriminiert. Bei Übergriffen werden die Betroffenen ja auch nicht im Vorhinein gefragt wie sie es nun mit der Religion halten würden. Das öffentliche Ausleben der Religion bzw. das Tragen religios konnotierter Kleidung erhöht jedoch nochmals die Gefahr rassistisch angegriffen zu werden und führt zu einer Situation in der Betroffene oftmals sich nicht mehr trauen in die Öffentlichkeit zu treten.

Eine Besonderheit des antimuslimischen Rassismus ist die Verschränkung mit dem Terror. Insbesondere seit 9/11 kann man einen qualitativen Umbruch beobachten. Sicherheitspolitik, Verschärfungen im Flugverkehr etc. wurden stets mit einer „islam(isti)ischen Gefahr“ in Verbindung gebracht. Durch die ständige mediale Verschränkung, dem sog. Framing, wurde ein Bild geprägt, das den Islam als „böse Terrorreligion“ darstellt, und Betroffene unter den Generalverdacht, Terrorist*innen zu sein, stellt. Erst jüngst sprach H.C. Strache davon, dass es in „Wien 150 islamische Kindergärten, wo mit Hasspredigten die Kinder zu Märtyrern erzogen werden sollen“ gäbe. Neben der unglaublich rassistischen und menschenunwürdigen Unterdrückung die Betroffene wegen solchen Bildern erfahren, wird auch noch verschleiert das Muslim*innen selbst am allermeisten betroffen sind von extremistischen Terror. Von 2001 bis 2014 sind in Westeuropa 420 Menschen durch Terror gestorben. Allein im Irak sind in dem selben Zeitraum 42.759 Menschen wegen Anschlägen gestorben. In Afghanistan waren es 16.888, in Pakistan 13.524, in Nigeria 11.997 – die Zahlen zeigen eindeutig: Weder ist es so, dass der islamistische Terror die größte Gefahr Europas sei (es ist statistisch um einiges wahrscheinlicher in einen tödlichen Autounfall zu geraten als durch einen Terroranschlag zu sterben), noch ist es so, dass es ein Kampf zwischen dem Islamismus und dem Westen ist. Statt dieser rassistischen und völkischen Ideologie zu folgen, müssen wir solidarisch und internationalistisch gegen religiösen Terror kämpfen und die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme ansprechen, die dahinterstecken. Dieser Kampf muss auch verknüpft werden mit dem antiimperialistischen Kampf, denn ist kein Zufall, dass die Gebiete die am meisten von Terror und Instabilität betroffen sind, langjährige Ziele imperialistischer Kriege und Unterdrückung waren und noch immer sind.

Eine weitere Besonderheit kann man sehen bei dem Vergleich mit rechtsradikalen Terroranschlägen. Während bei jedem islamistischen Terroranschlag die Täter*innen als diabolische Märtyrer*innen bezeichnet, alle rassistischen Klischees ausgepackt und wiederum die größte Gefahr für Europa beschworen wird, wird bei rechtsradikalen Anschlägen ungemein verharmlost und psychologisiert. Rechtsradikale Anschläge, wie der des Attentäters von Christchurch , der bei einem Angriff auf zwei Moscheen 50 Menschen tötete, werden als individuelle Tragödien dargestellt. Die Taten werden entpolitisiert, und mehr als Ergebnis psychologischer Probleme verklärt. In der Berichterstattung wird nach der Kindheit, der Lebensgeschichte etc. gefragt und es entsteht letztlich der Eindruck, dass solche Täter*innen bemitleidenswerte Opfer der Gesellschaft wären. Es passt nun mal nicht in das jahrelang von Medien und Politiker*innen geschaffene Bild des islamistischen Terrors, dass auch rechtsradikale und christlich geprägte Menschen Terroranschläge ausüben. Das Leid der wahren Betroffenen geht dabei komplett unter. Die Message ist klar: Die Betroffenen sind weniger wert, ihr Leid unwichtiger, weil sie nun mal nicht zu dem völkisch bzw. rassistisch gedachten „uns“ gehören. Außerdem wird die Gefahr des Faschismus deutlich und bewusst verklärt, der deutliche Anstieg verschwiegen und der politische Kontext des internationalen Rechtsrucks verschleiert.

Wir müssen es klar benennen. Dieser Anstieg faschistischer Anschläge und tagtäglicher rassistischer Übergriffe sind deutlicher Ausdruck und Folge des internationalen Rechtsrucks. Parteien wie die FPÖ, AfD, die französische Rassemblement National (ehemals Front National) etc. propagieren antimuslimischen Rassismus in Reinform und versuchen Migrant*innen, Flüchtlinge und besonders jene, die als Muslim*innen wahrgenommen werden, als das europäische Feindbild schlechthin zu etablieren. Doch wie einleitend gesagt, ist es nicht nur ein rechtes Problem. Antimuslimischer Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Rassistische Übergriffe und Aussagen, diskriminierende Gesetze kommen aus allen politischen Spektren. Thilo Sarrazin, der vor einigen Jahren eine europaweite Debatte voller rassistischer und eugenischer Drohgebärden und Invasionsphantasien startete, ist immer noch Mitglied der SDP. Hierzulande lässt sich die ÖVP kaum mehr unterscheiden von der FPÖ und selbst die SPÖ scheut in Teilen nicht mehr zurück die Regierungsparteien rechts zu überholen. Selbst vergleichsweise Linke wie bürgerliche Feminist*innen greifen immer wieder auf rassistische Klischees zurück anstatt Antisexismus und Antirassismus progressiv zu verbinden. Auch vermeintlich Linke wie Antideutsche feiern die imperialistische Politik der USA und propagieren oftmals ganz offen antimuslimischen Rassismus in ihrer absolut unkritischen und blinden Unterstützung der rassistischen und unterdrückerischen Regierungs- und Siedlungspolitik Israels.

Antimuslimischer Rassismus, ob in Österreich oder anderswo, muss bekämpft werden – gemeinsam, solidarisch und internationalistisch. Wir dürfen uns nicht in rassistische, völkische oder nationalistische Kategorien spalten lassen und müssen stattdessen aufzeigen, dass die sozialen und ökonomischen Probleme in unserer Klassengesellschaft wurzeln. Wir müssen an den Orten wo wir uns befinden, egal ob Schule, Uni oder Arbeit uns organisieren und dürfen zugleich den internationalen Rechtsruck und den rassistischen Terror nicht mehr so einfach hinnehmen. Antirassistisch zu sein, bedeutet auch konsequent Widerstand zu leisten und dem antimuslimischen Rassismus den Kampf anzusagen!


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