Was sagen Kommunist*innen eigentlich zu Krieg?

Die Frage von Weltkrieg wird mit den fortschreitenden Drohgebärden von Trump, Putin und Co. immer relevanter. Gerade für junge Menschen, die in Kriegen immer die ersten sind, die Leid zu spüren bekommen, ist es deshalb wichtig sich damit auseinanderzusetzen. Wir sehen heute eine Reihe von blutigen Auseinandersetzungen, sei es in Syrien und im Irak, seien es die anhaltenden Kämpfe im Osten der Ukraine oder sei es der blutige, nur allzu oft totgeschwiegene, Krieg von Saudi-Arabien (mit westlicher Unterstützung) gegen den Jemen. Bei wichtigen Wendungen in diesen Konflikten bekommen wir in den Medien auch Bilder dieser Kriege zu sehen, doch für Millionen Menschen sind sie tägliche, blutige Realität. Als Kommunist*innen kämpfen wir für eine Gesellschaft frei von Kriegen. Doch um dahin zu kommen braucht es eine konkrete Auseinandersetzung mit den zentralen Fragen von heute. Gerade jetzt wo sich die US-Regierung unter Trump so aggressiv gibt wie schon lange nicht mehr (man denke nur an den aktuellen Konflikt und die Drohungen gegenüber dem Iran) ist es umso wichtiger sich über den Charakter von Krieg im allgemeinen und einzelnen Kriegen im Konkreten klar zu werden.

Kriege sind keine schöne Angelegenheit, sie sind blutig und sie sind tödlich. Nur allzu oft werden Kriege – gerade wenn sie von westlichen Staaten geführt werden – beschönigt: Präzisionsschläge mit Drohnen, Scharfschützen, die einzelne Terrorist*innen töten oder NATO-Soldat*innen, die Freiheit und Demokratie bringen. Uns als Kommunist*innen ist klar, dass Krieg keine schöne Angelegenheit ist und wir sehen keinen Sinn darin ihn zu beschönigen. Gleichzeitig sind wir aber keine Pazifist*innen, die sich jeglicher Gewalt (und Krieg ist nichts anderes als die höchste Form der Gewalt) verschließen. Wir sind vielmehr der Meinung, dass Gewalt notwendig ist (zum Beispiel im Kampf gegen den Faschismus). Nur die reaktionärsten Pazifist*innen würden vermutlich den bewaffneten Kampf der Partisan*innen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus ablehnen.

Die aktuelle Gesellschaft befindet sich in einem Zustand, der im grundlegenden Gegensatz zu den Interessen der großen Mehrheit der Menschheit steht (Hunger, Krieg, weltweite Armut oder Umweltzerstörung um nur einige Beispiele zu nennen). Gleichzeitig können die dem zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeiten nicht durch Wahlen geändert werden, daher ist eine revolutionäre Perspektive notwendig. Der friedliche, parlamentarische Weg zum Sozialismus ist so oft gescheitert wie er probiert wurde. Die herrschenden Kapitalist*innen werden nicht einfach ihre Position der Macht abtreten, sondern werden – wie die Geschichte nur zu oft gezeigt hat – mit allen Mitteln versuchen ihre Position und ihr System zu sichern. Deshalb können wir uns im Kampf gegen den Kapitalismus nicht einfach an den Staat mit Militär- und Polizeigewalt ausliefern. Vielmehr müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass die Abschaffung des Kapitalismus nicht friedlich ablaufen wird. Um das Elend von Milliarden Menschen, den Hungertod von Millionen und das gegenseitige Abschlachten in Kriegen ein für alle Mal abzuschaffen, braucht es eine Revolution, die sich nicht auf friedliche Mittel beschränken kann.

Ähnlich wie unsere Position zu Gewalt, ist auch unsere Position zu Kriegen. Auch wenn wir natürlich mit dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft auch einen Kampf für eine Gesellschaft ohne Krieg und Gewalt führen bedeutet das nicht, dass wir Kriege immer und überall auch heute schon ablehnen. Einer der wohl wichtigsten Militärtheoretiker, der preußische General Clausewitz, meinte zum Charakter von Kriegen: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“ Marxist*innen teilen diese Einschätzung. Dazu später aber mehr.

Zuerst sollten wir einmal versuchen die Frage zu beantworten was eigentlich die Ursache von Kriegen ist. In der menschlichen Geschichte sind wirkliche Kriege, also dauerhafte militärische Auseinandersetzung zwischen 2 oder mehr Gruppen von Menschen ein relativ junges Phänomen. Die meiste Zeit über verfügten unsere Vorfahren als Jäger*innen und Sammler*innen nicht über die materiellen Voraussetzungen um längere kriegerische Auseinandersetzungen zu führen. Das soll nicht bedeuten, dass es immer friedlich zuging, aber jeder Krieg erfordert

gewisse Ressourcen (Waffen, Menschen die kämpfen und vor allem Menschen die arbeiten um die kämpfenden Menschen mit Essen und sonstigem versorgen). Die längste Zeit über war es notwendig, dass alle Menschen gleichermaßen arbeiten und nicht ein Teil der Bevölkerung von der Arbeit anderer leben konnte.

Erst mit der Errichtung der ersten Hochkulturen, der Herausbildung einer gesellschaftlichen Arbeitsteilung (nicht mehr alle Menschen waren Jäger*innen und Sammler*innen) und damit auch der Entstehung von gesellschaftlichen Klassen, kam es zu den ersten wirklichen kriegerischen Auseinandersetzungen. Die ersten kriegerischen Auseinandersetzungen waren zumeist Beutezüge, bei denen nicht selten Sklav*innen “erbeutet“ wurden, die natürlich mehr Menschenmaterial für weitere kriegerische Handlungen bedeuteten. Mit der beginnenden Feudalgesellschaft im Mittelalter war vor allem die Ausweitung des eigenen Herrschaftsgebietes und die Inbesitznahme von mehr Land – und mehr Leibeigenen – der zentrale Grund für Kriege. Mit Beginn des Kapitalismus und vor allem des modernen Imperialismus war dann bald das zentrale Motiv die Inbesitznahme von Rohstoffen und – was noch viel wichtiger war und ist – Absatzmärkten.

Die beschriebenen Kriege waren eigentlich fast immer Kriege zwischen den diversen herrschenden Klassen der Gesellschaft, doch neben diesen Kriegen gab es auch immer Kriege der ausgebeuteten Klassen gegen die herrschende Ordnung. Sklav*innenaufstände wie der berühmte Aufstand von Spartakus im antiken Rom, die Bäuer*innenkriege im 16. Jahrhundert oder der englische Bürgerkrieg sind Beispiele dafür, dass sich die Unterdrückten und Ausgebeuteten auch militärisch gegen ihre Unterdrückung gewehrt haben. Hier wird recht schnell klar, dass nicht alle Kriege gleich zu beurteilen sind.

Zuerst einmal gibt es Kriege, in denen alle Seiten nur reaktionäre Ziele vertreten. Das klassische Beispiel hierfür ist der 1. Weltkrieg. Dort bemühten sich die in der Kolonisierung zu spät gekommenen Länder wie Deutschland und Österreich-Ungarn darum, die Weltordnung zu ändern um selbst Kolonien zu erlangen. Damals herrschte vor allem Großbritannien, aber auch Frankreich als imperialistische Ausbeuter. In diesem Krieg, in dem die eine Seite der Großmächte ihr geraubtes Hab und Gut gegen die andere Seite der Großmächte, die ihren „gerechten Anteil“ an der globalen Ausbeutung erlangen wollten, „verteidigen“ mussten, ist klar, dass Kommunist*innen auf keiner Seite stehen können. In dieser Zeit gingen viele vermeintliche „Sozialist*innen“ auf die Seite ihres eigenen Vaterlandes über und verteidigten es. In Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Österreich unterstützten die sozialdemokratischen Massenparteien ihr eigenes Land im Kampf. Es wurde auf Streiks und gewerkschaftliche Kämpfe verzichtet um ja nicht die Kriegsanstrengungen zu behindern, die davor gepredigte internationale Einheit der Arbeiter*innenklasse wurde den „eigenen“ Kapitalist*innen geopfert und Millionen junger Arbeiter*innen wurden in den bis dahin tödlichsten Krieg geschickt.

Dem stellten sich nur eine kleine, aber umso wichtigere, Zahl von Sozialist*innen und Kommunist*innen entgegen, allen voran die russischen Bolschewiki, die sich schon 1912 als eigene revolutionäre Partei konstituiert hatten. Ihre Taktik war – und wir halten diese auch heute noch für korrekt – dass in Konflikten zwischen den Großmächten das Proletariat nicht die Seite des eigenen Landes, was in diesem Fall nichts anderes ist als die Seite der eigenen Ausbeuter*innen, ergreifen darf. Vielmehr muss es darum gehen den Krieg zwischen den imperialistischen Mächten in einen Krieg der Arbeiter*innenklasse gegen die Kapitalist*innenklasse umzuwandeln. Die Niederlage des „eigenen Vaterlandes“ war dabei das kleinere Übel und musste in Kauf genommen werden um dem Krieg ein Ende zu setzen. Das nannte man auch revolutionären Defätismus – also die Notwendigkeit einzusehen, dass der Krieg fürs Land verloren werden, aber gleichzeitig für die Klasse gewonnen werden kann. Der Erfolg dieser Taktik bestand darin, dass schließlich 1917  die Arbeiter*innenklasse und die Bäuer*innen die Macht ergriffen und sich daraufhin Russland aus dem 1. Weltkrieg zurückzog. Auch in anderen Ländern wie Deutschland oder Österreich gab es in den späten Kriegsjahren eine mächtige Bewegung gegen den Krieg.

Für heute hält die Feststellung, die Karl Liebknecht (linker Sozialist und Kämpfer gegen den Krieg) während des 1. Weltkriegs tätigte: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ Das bedeutet, dass Kommunist*innen in erster Linie Feinde ihrer „eigenen“ Kapitalist*innen sind und diese in den Mittelpunkt ihres Kampfes stellen, nicht die Kapitalist*innen befeindeter Nationen. Auch heute noch hält diese Aussage und ist für uns zentral: In militärischen Auseinandersetzungen an denen sich Österreich oder die EU beteiligt treten wir im Regelfall für deren Niederlage ein.

Doch es gibt Staaten, deren Stellung im internationalen System sie in eine neokoloniale Position bringt. Das bedeutet, dass sie in der internationalen, kapitalistischen Arbeitsteilung von reichen und mächtigen Nationen ausgebeutet werden, das trifft auf die meisten afrikanischen, südamerikanischen oder asiatischen Nationen zu . Die meisten afrikanischen Staaten haben sich Mitte des 20. Jahrhunderts ihre Unabhängigkeit erkämpft. Wie so oft waren dabei auch Aufstände, Rebellionen und Revolutionen notwendig um die Kolonialherren zu vertreiben. In Konflikten, in denen sich unterdrückte Staaten gegen nationale Unterdrückung zur Wehr setzen – wie in den antikolonialen Aufständen Afrikas, aber auch heute in Kurdistan oder Palästina – stehen wir in der Auseinandersetzung klar auf der Seite der Unterdrückten. Für uns ist diese Unterstützung nicht abhängig davon, dass die kämpfenden Massen bereits für eine sozialistische Politik gewonnen wurden – was im Normalfall nicht zutrifft – vielmehr geht es darum festzustellen wie sich diese Konflikte auf den internationalen Klassenkampf auswirken.

Um unsere Haltung zu Kriegen anhand praktischer, aktueller Beispiele zu verdeutlichen wollen wir uns zwei Situationen ansehen. Auf der einen Seite den syrischen Bürger*innenkrieg, auf der anderen den Krieg der von Saudi-Arabien angeführten Allianz gegen die Houthi-Rebellen im Jemen. Dem syrischen Bürgerkrieg gingen 2011 – angestoßen durch die Aufstände in Tunesien und Ägypten – massenhafte Demonstrationen gegen den Präsidenten Bashar Al Assad voraus. Diese legitimen Proteste wurden vom syrischen Regime blutig niedergeschlagen, daraufhin desertierten tausende Soldaten aus der syrischen Armee und gründeten die Freie Syrische Armee. Anfangs war es vollkommen legitim und notwendig sich militärisch gegen das Assad-Regime zu wehren, wir verteidigten deshalb auch den bewaffneten Aufstand gegen Assad und seine Armee. Doch im Laufe der Zeit gewannen immer mehr reaktionäre Kräfte auf Seiten der Aufständischen an Einfluss und heute ist der ehemals fortschrittliche Aufstand militärisch niedergeschlagen. Im Jemen konnten die sogenannten Houthi-Rebellen 2015 den reaktionären Präsidenten Hadi stürzen. Daraufhin griff das militärisch und wirtschaftlich übermächtige Saudi-Arabien, gemeinsam mit einigen anderen Ländern, die Houthi-Rebellen an. Bis heute wird es dabei logistisch von seinen westlichen Verbündeten (insbesondere den USA) unterstützt. Obwohl es sich bei den Houthi-Rebellen bei weitem nicht um Sozialist*innen handelt – vielmehr sind sie kleinbürgerlich und religiös motiviert – lehnen wir den reaktionären von Saudi-Arabien geführten Krieg ab, denn er dient letztlich nur der nationalen Unterdrückung und der Sicherung der Vormachtstellung Saudi-Arabiens in der Region. Wir treten vielmehr für die militärische Niederlage ihrer Seite im Konflikt ein, auch wenn wir politisch keine Übereinstimmung mit den Houthi-Rebellen haben.

Wir leben heute in einer Welt in der Kriege – und zwar große Kriege zwischen den mächtigen Nationen – zwar nicht auf der Tagesordnung stehen und auch unmittelbar nicht anstehen, aber soweit diskutiert werden, dass es für die meisten Regierungen notwendig erscheint sich darauf vorzubereiten.. Die Militärausgaben aller großen Nationen, bis auf Russland, steigen. In Europa wird schon seit längerem über eine gemeinsame EU-Armee diskutiert (immerhin steht man militärisch gegenüber den anderen großen Blöcken, insbesondere China und den USA, schlecht da). In Japan wird die seit 1947 geltende „pazifistische“ Verfassung „uminterpretiert“ um militärisches Eingreifen zu ermöglichen. Die USA wollen unter Trump das Atomwaffenarsenal modernisieren und einen weiteren Zweig des Militärs („space force“) gründen. Diese Liste lässt sich fast beliebig lange fortsetzen. Sie soll verdeutlichen, dass sich die Herrschenden der Welt darüber im Klaren sind, dass militärische Auseinandersetzungen in der Zukunft wichtig sein werden und man sich schon heute darauf vorbereiten muss.

Wir leben heute in einer Welt in der China wirtschaftlich den USA mehr und mehr den Rang ablaufen kann und die USA in ihrer Weltmachtrolle, die sie seit 1945 und insbesondere seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion innehat, immer gefährdeter ist. Teile der amerikanischen herrschenden Klasse sind sich darüber bewusst, dass dieser Trend notfalls nur durch militärische Mittel aufzuhalten sein wird, immerhin haben die USA immer noch deutlich höhere Militärausgaben als China (700 Milliarden Dollar gegenüber 175 Milliarden Dollar), stehen geostrategisch wesentlich besser da (600 Auslandsmilitärbasen gegenüber einer von China) und dominieren das größte Militärbündnis der Welt (NATO). Auch mit Russland (Syrien, Ukraine) gibt es immer wieder ernsthafte militärische Reibereien in denen diese beiden Staaten unterschiedliche, sich bekämpfende, Parteien unterstützen. Zwar ist ein neuer Weltkrieg in absehbarer Zukunft nicht realistisch, nichtsdestotrotz bewegen wir uns tendenziell näher darauf hin als weiter davon weg.

Für uns als Jugendliche, die nicht wie unsere Großeltern und Urgroßeltern in Millionen auf den Schlachtfeldern dieser Erde sterben wollen, ist es notwendig schon heute gegen die Militarisierung in unserer Gesellschaft anzukämpfen. Wir müssen dafür kämpfen, dass die EU-Armee nicht umgesetzt wird, dass Österreich sich nicht an Auslandseinsätzen beteiligt und dass Österreich und die EU keine reaktionären Kriege (wie aktuell im Jemen) unterstützen. Wir müssen aber auch klarmachen, dass ein Kampf gegen Krieg im Kapitalismus immer nur von kurzem Erfolg geprägt sein kann. Das kapitalistische Weltsystem mit seinem Kampf um Ressourcen, Arbeitskräfte und Absatzmärkte kennt keine langen Perioden von Frieden und letztlich müssen wir die materielle Ursache für Krieg abschaffen. Das bedeutet, dass wir für eine Gesellschaft kämpfen müssen, die nicht auf dem wirtschaftlichen Streben nach immer mehr und schnelleren Profiten aufgebaut ist, sondern vernünftig die Wirtschaft im Interesse der Menschheit plant. In der wir Jugendliche selbstbestimmt und ohne drohende Kriegsgefahr leben können. Das bedeutet, dass wir weltweit den Kapitalismus stürzen müssen!


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