Sudan: Revolution und Konterrevolution

Die Weltarbeiter*innenklasse schaut dieser Tage mit Spannung und Hoffnung auf die politische Entwicklung im Sudan, wo wir momentan zeitgleich mit Algerien eine Fortsetzung der arabischen Revolution sehen.

Hintergrund

Nach monatelangem Demonstrieren, Campieren vor dem Militärhauptquartier in der Hauptstadt Khartum und Streiken wurde der islamistische Diktator Omar al-Bashir am 11. April gestürzt. Damit war die Revolution aber noch längst nicht beendet, denn ein militärischer Übergangsrat übt seitdem die Regierungsgewalt aus. Das Militärregime hat also bisher nur ihre Führungsfigur geopfert, um den ganzen Rest der herrschenden Militärcliquen zu retten.

Forderungen der Opposition

Die Oppositionsbewegung wird von der AFC (Alliance for Freedom and Change = Allianz für Freiheit und Veränderung) dominiert. Diese forderte eine zweijährige Übergangszeit, in der eine mehrheitlich zivile provisorische Regierung die Regierungsgeschäfte leiten und eine Wahl vorbereiten sollte. Doch nicht einmal diese tatsächlich sehr harmlose Forderung wollte die Militärjunta erfüllen. In der Folge erhöhte die Opposition weiter den Druck. Die Platzbesetzung vor dem Militärhauptquartier blieb bestehen und letzte Woche wurde sogar ein 2-tägiger Generalstreik organisiert.

Antwort des Militärs

Da die Militärregierung nicht einmal die grundlegendsten demokratischen Rechte einführen will, ging sie am Montag den 3. Juni wieder in die Offensive. Sie richtete auf dem besetzten Platz vor dem Militärhauptquartier ein Massaker an, um den Widerstand der Protestbewegung zu brechen. Bisher sind über 100 Tote gezählt worden. Seitdem überzieht das Militär das Land mit einer brutalen Repressionswelle. Gepanzerte Wagen patrouillieren durch die Hauptstadt und machen Jagd auf Demonstrant*innen. Dabei wird vor allem das RSF (Rapid Support Force) eingesetzt, welches durch abscheulichste Kriegsverbrechen im bis heute anhaltenden Darfurkrieg berüchtigt ist. Das Angebot Wahlen in 9 Monaten abzuhalten ist angesichts dieser Repression natürlich blanker Hohn. Die Taktik der gewaltsamen Niederschlagung birgt allerdings auch die Gefahr eines flächendeckenden Bürger*innenkrieges, wie die syrische Revolution gezeigt hat.

Reaktion der Bewegung

Auch die letzten Hoffnungen in die neue Militärregierung sind damit verpufft. Die Opposition ruft deshalb zu massenhaftem zivilem Ungehorsam auf. Demostrant*innen errichten überall in Khartum Straßenblockaden, um die Stadt lahm zu legen. Der „Sudanese Professionals Association“ (SAP) im Gewerkschaftsbund, der akademische Berufe organisiert, hat angekündigt die Arbeit niederzulegen, bis das Regime gestürzt ist.

Internationale Reaktion und Bedeutung

Natürlich unterstützen reaktionäre Regime, wie Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die Militärdiktatur. Zum einen führen die beiden letzten zusammen mit dem Regime einen grausamen Krieg im Jemen, zum andern wollen diese Staaten die Revolution zu jedem Preis im Blut ertrinken sehen, um den Sudan als eine stabile islamistische Diktatur zu erhalten. Zu groß ist die Angst vor einer Neuauflage einer arabischen Revolution auch in ihren Ländern. Die Widersprüche, die den arabischen Frühling damals hervorbrachten, haben sich seit dem nämlich weiter verschärft. Motiviert durch eine erfolgreiche Revolution in der Region könnten Menschen auch in anderen Ländern wieder gegen ihre Unterdrückung aufbegehren.

Die westlichen Politiker unterstützten heuchlerisch die zivile Opposition. So können sie sich in ihren Heimatländern als Demokrat*innen darstellen. Außerdem erhoffen sie sich natürlich durch einen von ihnen befürworteten Regime-Wechsel Zugriff auf die Rohstoffe, die Arbeitskräfte und natürlich den Markt des Sudan. Russland und China unterstützen aus demselben Grund wiederum die Militärjunta.

Perspektiven der Bewegung

Entscheidend wird sein, ob sich die Gewerkschaften der gesamten Arbeiter*innenklasse zu einem unbefristeten Generalstreik entschließen. Dieser würde zwangsläufig die Machtfrage stellen, da die Arbeiteri*nnen die Arbeit erst dann wieder aufnehmen würden, wenn ihr Widerstand endgültig gebrochen oder ihr Ziele eines Sturzes des Regimes erreicht ist.

Um der Repression des Militärs zu begegnen müssen die Massen aber auch in die Kasernen strömen und die unteren Soldatenränge zur Befehlsverweigerung und zur praktischen Solidarität mit der Bewegung aufrufen. Momentan werden allerdings zur Niederschlagung der Proteste nur absolut loyale Spezialkommandos eingesetzt. Die Bewegung muss deshalb so groß werden, dass die Armee gezwungen ist, die einfachen Soldaten zu zwingen auf ihre eigenen Schwestern und Brüdern zu schießen. Das erhöht die Chance enorm, dass die Soldaten sich gegen ihre Offiziere erheben. Außerdem kann nur eine potentiell siegreiche Bewegung den Soldaten Schutz vor Repression in Aussicht stellen.

Die Revolution kann aber nur vollständig erfolgreich sein, wenn sie nach dem Sturz des Regimes die Arbeiter*innenklasse an die Macht bringt. Nur sie ist nämlich in der Lage ein Programm zu verwirklichen, welches säkulär ist, den unterdrückten Völkern (z.B. in der Dafur-Region) Selbstbestimmung bringt und die Wirtschaft auf Grundlage eines sozialistischen Plans reorganisiert. Dafür muss aber auch eine kommunistische Partei aus der Opposition heraus gegründet werden, die in der Lage ist dieses Programm zu formulieren und die Massen für eben jenes Programm zu gewinnen und zu mobilisieren. Es braucht aber auch praktische internationale Solidarität, die jedwede Unterstützung für das Regimes sabotiert, ähnlich wie es französische Hafenarbeiter bei ihrer Weigerung ein Schiff mit Waffen für Saudi-Arabien zu beladen, getan haben.

Die Arbeiter*innenklasse braucht in Zeiten von Rechtsruck, verstärkter staatlicher Repression und neoliberalen Angriffen endlich wieder einen Sieg, um international gestärkt in die kommenden Kämpfe zu gehen!

REVO - Germany

Artikel von Revolution Deutschland - unserer deutschen Schwesternsektion.