Gegen jeden Antisemitismus!

Während in Palästina israelische Truppen mit Luftangriffen, Artilleriebeschuss und einer Bodenoffensive die arabisch-palästinensische Zivilbevölkerung terrorisiert formiert sich weltweit der Widerstand gegen den Krieg. Bei dem Vorgehen der israelischen Armee in der Westbank waren 350 Menschen verhaftet worden, viele davon gerade erst freigelassene politische Gefangene aus der antiisraelischen Opposition. Der staatliche Terror im Gaza-Streifen hat bis zum 22.7. über 400 Todesopfer, davon laut UNO 80 % Zivilist_innen, gefordert. Rassist_innen, Antideutsche und pro-israelische Kriegshetzer_innen versuchen den Protest gegen den Krieg zu verdammen, indem sie alle Kritik an der israelischen Politik als antisemitisch darstellen – und die bürgerlichen Medien, wie Österreich, Heute und „Krone“ schlagen in dieselbe Kerbe. Auch die Solidaritätsdemonstration wurde als „Hassdemo“ und „antisemitisch“ (Tageszeitung Österreich) beschimpft. Aber auch wenn diese Hetze der Bürgerlichen leicht durchschaubar ist, ist es wichtig gerade jetzt für eine fortschrittliche, antirassistische und tatsächlich solidarische Solidaritätsbewegung zu kämpfen.

Die Demonstration, gegen die Krone, Heute und Österreich wie aus einer Feder hetzen, fand am Samstag in Wien statt. Ungefähr 15 000 Menschen folgten dem Aufruf der türkisch-nationalistischen UETD und protestierte gegen das Massaker im Gaza-Streifen, palästinensische, türkische, ägyptische, kurdische, bosnische, somalische, syrischeG und österreichische Aktivist_innen bestimmten das Bild auf der Aktion. Viele der Demonstrant_innen waren aber, anders als wir von REVOLUTION, nicht in erster Linie (aber auch deshalb) gekommen weil sie gegen Rassismus Imperialismus und Krieg kämpfen, sondern aus religiöser Verbundenheit als Muslime und Muslimas. Das und die vereinzelten rückschrittlichen Gruppen und Slogans waren Grund genug für die akademische Pseudo-Linke und eine breite Front aus bürgerlichen Parteien und Medien, die Demonstration zu verdammen.

So genannte „Antideutsche“ bezeichnen sich selbst als Linke, sogar als Kommunist_innen, aber sie erarbeiten die Grundlage der Hetze gegen Palästina-Aktivist_innen. In Wirklichkeit sind sie selbst die Rassist_innen, die gegen Muslime und Muslimas hetzen, behaupten der Islam wäre faschistisch oder zurückgeblieben. Sie haben den Spruch „Gegen jeden Antisemitismus“ geprägt, um die Kritik an Israel bekämpfen zu können und sich trotzdem als Antirassist_innen darzustellen. Ihre pseudo- intellektuellen Hirngespinste, die sie meistens an den Unis verbreiten wo sie versuchen Karriere zu machen, geben den Kampf gegen Rassismus und Unterdrückung auf und biedert sich an den rechten Rassismus gegen Muslime und Muslimas an. Es ist tatsächlich wichtig gegen jeden Antisemitismus zu kämpfen – ehrlich ist dieser Kampf nur, wenn auch gegen den Terror Israels vorgegangen wird.

Die Verteidiger_innen Israels und seiner Terrorpolitik in den palästinensischen Autonomiegebieten werfen jeder_m Kritiker_in Israels vor, Antisemit_in zu sein. Sie behaupten, Israel als jüdischer Staat sei sowohl das nationalstaatliche Symbol als auch der Schutzraum (oder die „Lebensversicherung“) der Jüdinnen und Juden, jede Kritik daran wäre bloß die Vorarbeit für den nächsten Holocaust. Tatsächlich ist Israel aber ein rassistischer Apartheidstaat, der die arabisch-stämmigen Einwohner_innen Palästinas massiv unterdrückt, Enteignungen ihres Besitzes legalisiert und sie durch einen übermächtigen Polizeiapparat und militärischen Terror verhaften und terrorisieren lässt. Es ist falsch und eine Frechheit, diesen Staat als die Vertretung aller Jüdinnen und Juden auszugeben, von denen viele den Krieg und Rassismus Israels verurteilen. Aber Israel wird von den Regierungen der EU und USA verteidigt, solange sie deren imperialistische Interessen in der Region sicher stellt, der Staat sieht sich in der Tradition der zionistischen Bewegung (die eben die Gründung des Staates Israels zum Ziel hatte und die staatliche Ideologie bildet) auch als „Vorposten des Westens“. Eine Kritik an diesem Staat ist als Kampf gegen Rassismus und Imperialismus also im Prinzip erst einmal fortschrittlich.

Aber nicht alle Verbündeten sind das: Die in Gaza herrschende Hamas, deren militärische Organisationen auch die größte Kraft im Widerstand gegen Israel bilden, ist islamistisch-reaktionär, frauen- und LGBTQ-feindlich und antisemitisch. Sie gegen den militärischen Terror der israelischen Armee zu verteidigen, auch zu sagen, dass Angriffe die sich nicht gegen Zivilist_innen richten verständlich und gerechtfertigt sind, das ist die eine Sache. Für Revolutionär_innen und fortschrittliche Aktivist_innen muss aber auch klar sein, dass das politische Programm der Hamas reaktionär ist und dagegen auch gekämpft werden muss. Wer die Hamas militärisch verteidigt, aber nicht politisch kritisiert, ist opportunistisch (anpasslerisch) und verrät die antirassistische (und anti-antisemitische) Tradition der Arbeiter_innenbewegung.

Die Arbeiter_innenbewegung und insbesondere ihr revolutionärer Flügel war immer konsequent internationalistisch, antirassistisch und kämpfte gegen den Antisemitismus. Gerade als die sozialistischen Parteien Ende des 19. Jahrhunderts aufgebaut wurden waren antisemitische Pogrome und Hetze in Europa durchaus üblich. Die Arbeiter_innenbewegung baute sich allerdings aus Aktivist_innen jeder Herkunft auf und bekämpfte Rassismus, nationalen Chauvinismus (also Übermachtsvorstellungen) und Antisemitismus aufs Schärfste. Viele führende Aktivist_innen waren auch Jüdinnen und Juden, wie Karl Marx, der russische Revolutionär Leo Trotzki oder einer der Anführer in der bairischen Räterepublik, Eugen Levine. Ebenso wie gegen den weit verbreiteten Antisemitismus kämpften schon die Sozialist_innen des 19. und 20. Jahrhunderts gegen die Ideologie des Zionismus, die jüdische und nicht-jüdische Arbeiter_innen spalten und den „nationalen Schulterschluss“ zwischen Ausgebeuteten und Ausbeuter_innen bewirken sollte.

Wir von REVOLUTION sind heute stolz, uns den Slogan „Gegen jeden Antisemitismus“ auf die Fahnen zu schreiben. Tatsächlich sind wir auch nicht, wie uns vorgeworfen wird, unkritisch neben den (friedlichen) rückschrittlichen Organisationen auf der Demonstration gelaufen und haben sie nur unterstützt. In einem massenhaft verteilten Flugblatt griffen wir zum Beispiel die Position der Organisationsgruppe UETD zu Kurdistan an, riefen (unterstützt von vielen Aktivist_innen) antikapitalistische Sprüche und grenzten uns von möglicherweise rückschrittlichen Gruppen deutlich ab. Nur so kann die Solidaritätsbewegung und auch der Widerstand im Gaza-Streifen zum Erfolg führen: Im Bündnis mit allen fortschrittlichen Organisationen, ohne jeden Rassismus und Antisemitismus, und ohne vor der Hetze und dem Krieg auch nur einen Millimeter zurückzuweichen!

Palestina libera, Palestina rossa!

Freies Palästina! Rotes Palästina!