Die tiefe Krise des spanischen Staates

Spanien erlebt derzeit eine schwere politische Krise. Das alte Zweiparteiensystem aus der konservativen Volkspartei „Partido Popular“ (PPE) und der sozialdemokratischen Partei „Partido Socialista Obrero“ (PSOE) wurde aufgebrochen – seit mehr als einem halben Jahr kann sich die Politik nun nicht mehr auf eine Regierung einigen. Auf eine Neuwahl im Juni droht nun die nächste Neuwahl.

Am 20. Dezember 2015 fanden in Spanien die regulären Parlamentswahlen statt. Die PPE verlor dabei ihre absolute Mehrheit, gefolgt von der PSOE, die ebenfalls Verluste hinnehmen musste. Damit wurde der Volkspartei die Rechnung für ihre unsoziale Politik aus Sparmaßnahmen und Privatisierungen geliefert. Unter der Regentschaft der PPE wurde zusätzlich das Arbeitsrecht reformiert, was zu einer Zunahme prekärer Beschäftigung führte, außerdem musste sie Hilfskredite in der Höhe von 41,3 Mrd. Euro aufnehmen.

Sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite gibt es jeweils eine neue politische Kraft in Spanien, die die jeweilige Altpartei unter politischen Druck setzt.

Auf linker Seite ist das die, 2014 ins Leben gerufene, Bewegung „Podemos“ („Wir können“) unter Führung des ehemaligen Politikwissenschaft-Dozent Pablo Iglesias. Sie sieht sich als politischer Ausdruck der großen Protestbewegung aus den Jahren 2011/2012, die „Indignados“ („Empörte“) der Bewegung des 15. Mai (15-M). Bei den Wahlen im Dezember erreichte Podemos gleich 20,7 %.  Podemos ist aber alles andere als eine revolutionäre Kraft zur Überwindung des Kapitalismus. Sie sieht sich nicht als Vertretung der Arbeiter*innen, die durch ihre Stellung in der Produktion die Macht hätten, die Wirtschaft unter ihre Kontrolle zu stellen; stattdessen wird sie eher als Vertretung der „Bürger*innen“ wahrgenommen. Außerdem stellt sie gar nicht den Anspruch den Kapitalismus abzuschaffen, im Gegenteil, Podemos sieht das gesellschaftliche Problem nicht in der Macht der Kapitalist*innen, also derer die die Produktionsmittel besitzen und die Arbeier*innen für immer mehr Profit ausbeuten, sondern in einer sogenannten „Kaste“ aus korrupten Politiker*innen. Die Führung der Bewegung kann sich nicht einmal dazu durchringen, sich als links zu bezeichnen. Inhaltlich ist sie das aber auf alle Fälle. In gewisser Hinsicht kann man Podemos mit der griechischen Partei SYRIZA vergleichen, sie sind nämlich beide neue, linksreformistische Parteien, die die Austeritätspolitik der EU neu verhandeln möchten – anstatt die Macht des Kapitals in Europa zu brechen.

Auf rechter Seite hat sich die liberale Partei Ciudadanos („Staatsbürger“) unter Führung des Juristen Albert Rivera etablieren können. Sie war ursprünglich eine Regionalpartei in Barcelona, die sich gegen katalanisch-nationalistische Abspaltungstendenzen wandte. Bei den Wahlen im Dezember erreichte Ciudadanos gleich 13,9 %.

Als die PPE keine Regierung zustande brachte, gab der König den Auftrag zur Bildung einer Regierung an die PSOE, die Podemos dann eine Koalition mit Ciudadanos vorschlug. Korrekter Weise stieg Podemos nicht auf eine Koalition mit der offen bürgerlichen Partei ein. Stattdessen schlug sie eine Linksregierung aus PSOE, Podemos und der Vereinigten Linken „Izquierda Unida“ (IU) vor – aber die PSOE wollte sich nicht in einer Regierung dem Druck von Links ausgesetzt sehen. Daraufhin folgten Neuwahlen im Juni.

Nun ging Podemos eine Wahlallianz mit der IU ein unter dem Namen „Unidos Podemos“. Für Revolutionäre wäre es richtig gewesen die Kandidatur von Unidos Podemos zu unterstützen um die PSOE in eine Linksregierung zu zwingen, bei gleichzeitiger Kritik an den reformistischen Programmen von PSOE, IU und Podemos. Die Perspektive einer Linksregierung galt nicht nur als

realistisch sondern als überaus wahrscheinlich. Aber Unidos Podemos konnte kaum Stimmen dazu gewinnen. Die PPE bot nun erneut der PSOE eine Koalition an, diese lehnte aber erneut ab, denn „die Linke wird die Rechte nicht unterstützen“. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass die Sozialdemokrat*innen doch noch einknicken, der Parteivorsitzende Sanchez steht unter innerparteilichem Druck und dem Land drohen Strafen durch die EU im Ausmaß von 6 Mrd. € wenn bis Ende September kein Haushaltsplan für das Jahr 2017 verabschiedet wird. Wahrscheinlicher ist aber, dass sich die PPE den Bedingungen von Ciudadanos beugt um eine Minderheitsregierung zu bilden. Das wäre natürlich eine sehr instabile Regierung, die die bisherige Einsparungspolitik gnadenlos fortsetzen würde. Wenn das diesjährige Defizitziel von 2,8 % erreicht werden soll, muss der spanische Staat 20 Mrd. € einsparen – eine Kürzung, die nur fatale Auswirkungen auf die spanischen Arbeiter*innen, Arbeitslosen und Jugendlichen bedeuten kann.