Donald Trump: Der Rechtsruck in den USA

Es wird viel in den Medien über Trump gelästert. Wie so ein Wahnsinniger, den mächtigsten Job der Welt landen kann, fragen sich die Leute. Aber Trump ist kein harmloser, alter Rassist, sondern eine reale Gefahr für die Weltwirtschaft und die politische Sphäre.

Donald Trump war kein typischer Präsidentschaftskandidat für die USA: Unhöflich,  offen rassistisch und frauenfeindlich, und in zahlreiche Skandale verstrickt. Als er die Wahl 2016 gewann war das ein Schockmoment für etablierte Politiker*innen, Medien und Kommentator*innen. Seitdem macht er aber nicht nur mit ausfälligen Tweets sondern auch mit radikalen politischen Vorstößen von sich reden. Er steht für eine Neuausrichtung der amerikanischen Außenpolitk, für den Sieg eines Teils der herrschenden Klasse über einen anderen. Für die Arbeiter*innen, Jugendlichen und Unterdrückten in den USA bedeutet dieser Umbruch nichts Gutes, für die im Rest der Welt noch weniger.

Trump, darauf legt er Wert, ist kein typischer amerikanischer Politiker. Vor seiner Kandidatur war er vor allem als windiger Bauunternehmer bekannt. Er besitzt Immobilien an den teuersten Adressen von New York und Los Angeles. Schlechter Geschmack, viele Auftritte im Society-Fernsehen und ein großes Mundwerk waren seine Markenzeichen. Bald begann Trump, selbst Medien zu machen: Er ist der Besitzer des millionenschweren Miss Universe-Schönheitswettbewerbs (und für übergriffiges Verhalten auf die Teilnehmerinnen bekannt) und der Star in einer TV-Show namens „The Apprentice“ (deutsch: „Der Lehrling“) in dem er junge Menschen mit den Worten „Du bist gefeuert!“ demütigt. Aber seit Beginn seiner Karriere war Trump auch im Politikbetrieb aktiv. Er betätigte sich als Großspender für beide bürgerlichen amerikanischen Parteien, war eng mit den Clintons befreundet, verschaffte Geschäftskolleg*innen Zugang zu Politiker*innen und überlegte 2000 sogar, als Präsidentschaftskandidat der rechtspopulistischen Reform Party anzutreten.

Ab 2011 engagierte er sich in der rassistischen „Birther“-Kampagne rund um eine Verschwörungstheorie über die Herkunft des damaligen Präsidenten Obama. Schon Anfang der 2000er-Jahre vertrat er eine Verschwörungstheorie rund um den angeblich schwarzen Mörder einer Frau im Central Park, und in den 1970er-Jahren steckte er als Immobilienbesitzer einigen Aufwand in einen Rechtsstreit, nicht an Schwarze vermieten zu müssen. Seine Wahlkampagne 2016 begann er  damit, mexikanische Migrant*innen als „Mörder und Drogendealer“ zu beschimpfen und ein Einreiseverbot für alle „muslimischen Länder“ zu fordern.

Auch frauenfeindliche Kommentare gehören zu Trumps öffentlichem Standardrepertoire. Am bekanntesten ist wohl die Tonaufnahme im Fernsehen, in der er damit prahlt Frauen gegen ihren Willen zu küssen und auf die Vulva zu greifen („grab her by the pussy“). Dazu kommen beunruhigende Kommentare über die Attraktivität seiner Tochter Ivanka, herabwürdigende Aussagen über Teilnehmerinnen der Miss Universe-Wettbewerbe und frauenfeindliche Beschimpfungen von Journalistinnen während seiner Wahlkampagne. Sexistische Politik, zum Beispiel das Entziehen jeder staatlichen Förderung für medizinische Programme die Abtreibungen nur erwähnen („global gag rule“) sind auch Teil seines Programms als Präsident.

Ein weiterer wichtiger ideologischer Eckpfeiler ist die Leugnung des menschgemachten Klimawandels. Diese Verschwörungstheorie ist ein einigendes Element in der amerikanischen radikalen Rechten, besonders der Teile die sich als „Anti-Establishment“ verstehen und auf deren Unterstützung Trump zielt. Sie ist außerdem zentral für amerikanische Ölfirmen, die staatliche Regulierung umgehen wollen und Trump unterstützt haben. Konsequenterweise gehörte das gewaltsame Durchpeitschen einer umstrittenen Öl-Pipeline zu den ersten Anordnung von Trump als Präsident, die in den ersten sechs Monaten ihrer Aktivität dann fünf Mal aufbrach und Tausende Quadratkilometer Ackerland sowie die Trinkwasserversorgung der Gegend verseuchte.

Trump schaffte es durch diese ideologischen Klammern, besonders windige Teile der herrschenden Klasse und Kleinunternehmer*innen, Bäuer*innen und Arbeiter*innen am rechten Rand der Republikanischen Partei hinter sich zu versammeln. Vor allem die Energiebranche und Teile des Finanzkapitals erhofften sich einiges von seiner Anti-Regulierungspolitik. Mit dem Versprechen, die Interessen von amerikanischen Firmen auf dem Weltmarkt wenn notwendig mit einem Handelskrieg durchzusetzen spricht Trump Kapitalist*innen in der Industrieproduktion an (allerdings nur die, deren Produktionsketten durch die Importzölle nicht zerschlagen werden). Seine Kriegsrhetorik und die Hunderte Milliarden schwere Erhöhung des Militärbudgets machen ihn auch in der Rüstungsindustrie beliebt.

Da Trump beständig am rechten Rand der Republikanischen Partei fischt, und sich auch als Teil einer Revolte gegen die rechtskonservative republikanische Führung inszenierte bezieht er sich oft auf Neonazis und „White Supremacists“ in den USA. Bisherige traurige Höhepunkte waren als er sich nicht von der Unterstützung durch den Ku-Klux-Klan-Chef distanzieren wollte, und als er nach dem Nazi-Mord an einer Demonstrantin in Charlottesville nur sagte, von beiden Seiten wäre Gewalt ausgegangen. Das ist weder politische Unvorsichtigkeit noch verwunderlich bei Trump. Am rechten Rand der Republikanischen Partei hat sich, mit finanzieller Unterstützung von Milliardär*innen wie den Koch Brothers, Einfluss und Macht gesammelt. Sich von ihnen und ihren milizartig organisierten, bewaffneten Armeen nicht zu distanzieren ist eine strategische Entscheidung. Die Wahlerfolge der rechtsradikalen Tea Party waren ein Vorbote der Trump-Präsidentschaft.

Liberale und konservative Medien behaupteten nach der Wahl, dass Trump von den Arbeiter*innen an die Macht gebracht worden wäre. Linksliberale verbreiten dieselbe Geschichte, nur dass weiße männliche Arbeiter die Hauptrolle spielen. Zahlreiche Analysen der Zusammensetzung von Trumps Unterstützer*innen und Wähler*innen widersprechen dem aber. Innerhalb der republikanischen Vorwahlen hatten Trumps Wähler*innen die zweithöchsten Haushaltseinkommen, im Vergleich zu Clintons Wähler*innen waren sie im Schnitt um ein Sechstel reicher. Trumps Wähler*innen gehörten zu 65 % zur reicheren Bevölkerungshälfte. Auch in seinem Umfeld und Beratungsstab finden sich keine Personen aus der Arbeiter*innenklasse.

Was aber stimmt ist das Trump einige Schlüsselstaaten gewinnen konnte, die seine Konkurrentin Hillary Clinton im Wahlkampf links liegen gelassen hat. Im von der Deindustrialisierung besonders betroffenen „Rust Belt“ konnte er, ohne Konkurrenz von links, auch Stimmen von den besonders hart abgestürzten und vorher besonders gut gestellten Arbeiter*innen gewinnen. Da spielt auch sein (leeres) Versprechen eine Rolle, Industriearbeitsplätze zu sichern indem er internationale Konkurrenz beziehungsweise Produktionsketten ohne Teilnahme der USA durch Handelskrieg und diplomatische Aggression zurückdrängen würde. Der zentrale Faktor für den Erfolg Trumps in gewissen Schichten der Arbeiter*innenklasse ist aber das Fehlen irgendeiner Arbeiter*innenpartei generell und einer sozialistischen Antwort auf die Krise im Speziellen.

Trump wurde als Repräsentant des Teils der herrschenden Klasse gewählt, die wie er der Meinung sind, die USA hätte ihren Platz an der Weltspitze schon verloren oder wäre am besten Weg dahin. Da haben sie nicht unrecht. Wettbewerbsvorteile in der Produktion werden von den Stückkosten und daher von Produktivität und Arbeitskosten bestimmt. Obwohl der Technologiesektor in den USA sehr stark und der Reallohn sehr niedrig ist, stehen US-amerikanische Firmen nicht mehr viel besser da als die Konkurrenz aus Europa, Asien und Lateinamerika. Die Hoffnung, die die herrschende Klasse in Trump hat, ist, dass er durch politischen und militärischen Druck die Konkurrenz zurückdrängen kann. Statt dem System von Handelsabkommen und gegenseitigen Abhängigkeiten soll eine klare Drohkulisse zur „politischen Subvention“ amerikanischer Profite werden.

Aber auch gegen die Arbeiter*innenklasse soll Trump Unternehmensinteressen noch mehr durchsetzen als bisher. Dafür stand vor allem die gescheiterte Reform des Gesundheitssystems und die erfolgreiche Steuerreform, die großen Unternehmen riesige Geschenke macht und ärmere bis mittlere Haushalte stärker belastet. Um die Reform gegen zu finanzieren ist in den nächsten Jahren auch mit massivem Sozialabbau zu rechnen.

Schafft Trump es nicht, den Anspruch auf Platz 1 in der Weltrangliste der ausbeuterischsten, kapitalistischen Staaten durchzusetzen, droht den USA ein weiterer Rechtsruck. Viele seiner Anhänger*innen sind radikalisiert und auf ihn als Person ausgerichtet. Dauernde Verschwörungstheorien über eine korrupte Justiz und lügende Medien, die ihn im Visier haben, schaffen eine Kulisse in der eine Abwahl von Trump gar nicht mit rechten Dingen zugehen könnte. Kombiniert mit dem Aufschwung faschistischer und bewaffneter Gruppen in den USA kann das zu einem Phänomen des amerikanischen Faschismus als Massenbewegung führen.

Aber im Widerstand gegen Trump und der generellen Verschärfung des politischen Klimas der letzten Jahre haben sich auch Alternativen gebildet. Die zerstreute und nach europäischen Maßstäben sehr wenig radikale Linke hat es geschafft, sich mit zentralen Kämpfen der Unterdrückten zu vereinigen. Das gilt für die Proteste gegen Rassismus („Black Lives Matter“), Frauenunterdrückung („Women‘s March“) ebenso wie für die Kampagnen für eine Gesundheitsversicherung für alle („Medicare For All“) und für die Abschaffung der Abschiebebehörde („Abolish ICE“), die jeweils Massen mobilisiert haben. Für enttäuschte Wähler*innen von Trump aus der Arbeiter*innenklasse können sie eine Anlaufstelle sein, ebenso wie die linksreformistischen und zentristischen Organisation, die ihre Mitgliedschaft vervielfachen konnten.

Das größte Hindernis für Sozialist*innen in den USA ist aber, dass mit den Demokrat*innen eine bürgerliche Partei die Gewerkschaften und große Teile der Arbeiter*innen, rassistisch Unterdrückten und Jugendlichen an sich gebunden hat. Es gibt keine Hoffnung, diese Partei zu reformieren oder die bürgerlichen Teile heraus zu spalten. Das ist auch wahr, wenn ein bürgerlicher Linksreformist wie Bernie Sanders die Parteispitze übernehmen würde. Nur der Aufbau einer amerikanischen Arbeiter*innenpartei kann eine echte Alternative darstellen – und das ist ein sehr schwieriges Projekt.