Ein Jahr #metoo und der Fall Kavanaugh

Heute am 15. Oktober ist es exakt ein Jahr her, dass die #metoo-Bewegung startete. Ausgehend vom Skandal rund um den Filmproduzenten Harvey Weinstein, der jahrzehntelang Frauen belästige, nötigte, und sexuell missbrauchte, nutzten unzählige Frauen (allein in den ersten 24 Stunden über 4,7 Millionen) den Hashtag #metoo um aufzuzeigen wie omnipräsent dieses Problem ist. Damit erkannten auch mehr Leute wie „normal“ sexuelle Grenzüberschreitungen eigentlich im Alltag sind. Nach einem Jahr stellt sich nun die Frage, was oder vielmehr ob sich überhaupt irgendwas geändert hat.

Auf jeden Fall ist zu sagen, dass #metoo zum einen vielen Betroffenen den Mut gegeben hat mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit zu gehen, zum anderen das Problem stärker ins öffentliche Bewusstsein rückte. Gleichzeitig erlebte #metoo einen ungeheuren antifeministischen und sexistischen Backlash. Konservative, Rechte und Frauenhasser waren und sind sich einig: Die Bewegung ging viel zu weit und ist quasi zu einer Hetzjagd gegen Männer ausgeartet. Männer wüssten gar nicht mehr wie sie sich verhalten sollen, ohne gleich eine Klage zu riskieren, die ihr ganzes Leben zerstören würde. In der medialen Debatte war und ist das Ziel jener Kräfte klar, nämlich von dem eigentlichen Thema abzulenken und Männer als die wahren Opfer von #metoo zu inszenieren. Es ist natürlich unglaublich schlimm, wenn patriarchale Machtverhältnisse herausgefordert werden und man sich nicht mehr so einfach über Grenzen hinwegsetzen darf. Es ist unglaublich schlimm, dass man urplötzlich das eigene Verhalten reflektieren muss und sexistisches Gehabe nicht mehr so leicht hingenommen wird. Es ist unglaublich schlimm, dass viele Frauen sich jetzt aussprechen gegen Sexismus und Frauenunterdrückung. #metoo ist ein Aufschrei gegen sexualisierte Grenzüberschreitungen. Die momentane gesellschaftliche Situation erklärt warum dies zum Großteil ein frauenspezifisches Problem ist. Natürlich sind aber auch andere Geschlechter von sexueller Belästigung betroffen. #metoo bietet allen Leuten, die selbst Betroffene sind, eine Plattform, zeigt aber zeitgleich auf, dass dieses Problem inhärent mit der sexistischen Gesellschaft verknüpft ist.

Es gab aber auch Frauen, die sich der Bewegung entgegenstellten (#notmetoo). In den allermeisten Fällen handelt es sich dabei um privilegierte Frauen, die das Glück gehabt haben, bisher wenig betroffen von sexuellen Grenzüberschreitungen zu sein oder einfach eine andere Sensibilität diesbezüglich haben. Die Wahrnehmung von Grenzüberschreitungen ist aber sehr persönlich und nur weil man selbst bestimmtes Verhalten als unproblematisch ansieht, heißt das noch lange nicht, dass dies auch für andere gelten muss.

Wie wenig sich aber die realen Unterdrückungsverhältnisse geändert haben, haben die Ereignisse der letzten Woche leider mehr als deutlich gezeigt. In den USA ist Brett Kavanaugh als Richter des Supreme Court vereidigt worden, trotz des mutmaßlich zu Schulzeit begangenen Vergewaltigungsversuchs an der heutigen Psychologie Professorin Christine Blasey Ford. Die Republikaner peitschten mit aller Macht ihren Kandidaten durch, da sie gegenwärtig noch die notwendige Mehrheit im Senat innehaben; ein Umstand der sich in den Wahlen im November schnell ändern kann. Es kam zwar zu einer Anhörung im Senat, wo Kavanaugh und Ford unter Eid aussagten, die Mehrheit der Senator*innen interessierte dies aber herzlich wenig. Einige gaben sogar an, dass Ford sehr glaubhaft wirkt, während Kavanaugh sein jähzorniges Gemüt zur Schau stellte, Fragen auswich und sich hinter offensichtlichen Lügen versteckte. Den erzkonservativen Kavanaugh in den Supreme Court zu schicken (es geht schließlich um einen immens einflussreichen Posten auf Lebenszeit) war ihnen schlicht und ergreifend wichtiger als die sexuellen Übergriffe ihres Kandidaten. Die Untersuchung des FBI, die eingeleitet wurde, kam ebenfalls nur zu Stande, da einer der republikanischen Senatoren drohte seine Zustimmung zu verweigern. Die Untersuchung beschränkte sich aber nur auf einen standardmäßigen Background-Check, war also keine tatsächliche Untersuchung ob Straftaten begangen wurden. Ebenso wenig wurden die Fälle zweier weiterer Frauen untersucht, die sich im Zuge der letzten Wochen meldeten. Eine Frau warf Kavanaugh vor bei einer Studentenfeier mit anderen Studienkollegen Frauen abgefüllt und unter Drogen gesetzt zu haben um sie dann anschließend vergewaltigen zu können. Eine weitere Frau beschuldigte ihn, sie ebenfalls im Zuge einer Feier begrapscht und ihr seinen Penis ins Gesicht gehalten zu haben. Die Untersuchung ging zudem nur eine Woche und im Rahmen dieser wurden lediglich zehn Personen befragt obwohl sich über 40 Personen beim FBI mit wichtigen Informationen zum Fall Kavanaugh meldeten. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden auch nicht veröffentlicht, sie dienten nur dazu den unentschlossenen republikanischen Senator*innen einen Vorwand zu geben, damit sie guten Gewissens Kavanaugh unterstützen können. Wie zu erwarten setzten sich die Republikaner mit 48 zu 50 Stimmen durch. Ekelhaft ist, dass der demokratische Senator Joe Manchin ebenfalls seine Stimme Kavanaugh gab, um im konservativen West Virginia auf Stimmenfang gehen zu können.

Die ganze Causa war eine reine Machtdemonstration gegenüber den Demokraten, aber allem voran ein Schlag ins Gesicht aller Frauen, die mit Sexismus und sexuellen Grenzüberschreitungen im Alltag zu kämpfen haben. Die Person Kavanaugh oder seine politische Einstellung waren hierfür gar nicht so zentral, denn es gab eine Liste mit 19 weiteren Kandidaten, die mit ihrer erzkonservativen Einstellung genauso (aus Sicht der Republikaner und Präsident Trump) für den Posten qualifiziert gewesen wären. Es ging hier schlicht ums Prinzip sowie imposant zu demonstrieren, dass man sich als Frau nicht zu wehren habe gegenüber mächtigen, weißen Männern. Trump setzte aber noch eins drauf, indem er sich bei einer öffentlichen Rede in einer ekelerregenden Manier über Christine Blasey Ford lustig machte. Trump sah sich ebenso bemüßigt zu sagen, dass es „eine beängstigende Zeit für Männer in Amerika ist“ und dass es Frauen hingegen „sehr gut“ ginge. Dass Ford und andere Anklägerinnen jetzt mit andauernden Morddrohungen zu kämpfen haben, während der ach so arme Kavanaugh nun im Supreme Court tätig ist, wird bei dieser Argumentation wohl vergessen. Was für eine schier unglaublich grauenvolle Zeit ein Mann zu sein. Zudem inszenierte Trump die Vereidigung (die sonst ein unspektakulärer bürokratischer Akt ist) wie eine große Siegesfeier und entschuldigte sich bei Kavanaugh für all die schlimmen Sachen die er(!) und seine Familie in den letzten Wochen durchleben mussten.

Dieser Fall bring sehr genau auf den Punkt wieso die absolute Mehrheit an Vergewaltigungen und andere Grenzüberschreitungen nicht zur Anzeige gebracht wird. Nur die wenigsten Fälle sexueller Übergriffe kommen tatsächlich vor Gericht und selbst wenn, werden die Betroffenen unter ungeheuren psychischen Druck gesetzt, beleidigt, verfolgt und zu Täterinnen gemacht (wie auch hierzulande der Fall von der ehemaligen Abgeordneten Sigi Maurer zeigte, die wegen übler Nachrede schuldig gesprochen wurde, weil sie sich gegen sexistische Angriffe zur Wehr gesetzt hatte).

Die #metoo-Bewegung war sicherlich ein guter erster Schritt, aber um patriarchale Machtverhältnisse und Sexismus zu bekämpfen, braucht es weitaus mehr als eine Netzbewegung (wo auch Frauen ohne Internetzugang von vornherein schon ausgeschlossen sind). Dafür braucht eine reale, auf den Straßen kämpfende internationale Frauenbewegung, die die bestehende Unterdrückung benennt und konsequent bekämpft. Eine Bewegung die, die bestehenden Besitz- und Produktionsverhältnisse bekämpft und letztlich als proletarische Bewegung mit dem Kapitalismus selbst bricht.


Siehe auch