Gegen die Festung Europa!

Vor ein paar Jahren sorgte noch die Flüchtlingspolitik von Victor Orbán, dem Ministerpräsidenten Ungarns und Vorsitzenden der rechtspopulistischen Fidesz Partei für ein scheinheiliges, moralisches Entrüsten innerhalb Europas. Mittlerweile ist es nicht mal mehr notwendig seitens der europäischen Politik Krokodilstränen zu vergießen; die Regierungen wetteifern ganz offen um rechtsradikale und rassistische Maßnahmen um ihre Politik durchzusetzen. Mit dem EU-Ratsvorsitz Österreichs dürfte es auch nicht besser werden – im Gegenteil sehen wir schon eine stärkere Vernetzung der Europäischen Rechten und eine weitere Normalisierung menschenverachtender Politik.

Die europäische Außenpolitik lässt sich anhand der Pläne der EU-Kommission zum Ausbau von Frontex, der europäischen Grenz- und Küstenwache, gut skizzieren. Nach diesen sollen die Kompetenzen von Frontex massiv ausgeweitet und der Charakter einer Grenzschutzpolizei gestärkt werden. Um das zu bewerkstelligen soll das Personal bis 2020 auf 10.000 aufgestockt werden – das bedeutet eine ganze Verzehnfachung (!) der Mitarbeiter*innen. Ebenso soll das Budget bis 2027 auf 34,9 Milliarden Euro erhöht werden – auch wiederum eine Verdreifachung des Budgets. Der österreichische Bundeskanzler Kurz und die deutsche Bundeskanzlerin Merkel betonten in einer gemeinsamen Stellungnahme im Vorfeld des EU-Gipfels in Salzburg, dass die Stärkung von Frontex „die einzige Lösung der Migrationskrise“ sei. Dabei geht es aber nicht darum die „illegale“ Migration oder Schlepperei zu stoppen oder gar Tragödien im Mittelmeer zu verhindern. Es geht einzig und allein Menschen die vor Krieg, Not und Elend fliehen unter keinen Umständen in die Festung Europa zu lassen. Die Küstenwache soll auch nicht primär Flüchtlinge vor dem Ertrinken bewahren, sondern sie schon vor der Grenze auffangen und zurückbeordern. Ob Menschen bei der Flucht sterben ist ihnen gleichgültig – Hauptsache sie tun dies nicht im europäischen Raum, da man sonst gezwungen ist Trauer und Betroffenheit vorzutäuschen. Händeringend wird zudem nach Kooperationen mit nordafrikanischen Staaten gesucht, um dort Aufnahmezentren zu errichten, weswegen auch gerade die EU offensiv um die Gunst des ägyptischen Diktator Al-Sissi buhlt. Lediglich bei der Verteilung von Flüchtlingen die es bereits nach Europa geschafft haben, herrscht Uneinigkeit. Auf menschenverachtende Weise wird darum gestritten die Zahl so niedrig wie möglichst zu halten. So auch beim letzten EU-Gipfel wo vorgeschlagen wurde, dass jene Staaten die einen Aufnahmestopp fordern sich „freikaufen“ können sollen; also quasi staatlich regulierter Menschenhandel.

Das Klima in Europa ist gerade in den letzten Jahren extrem nach rechts abgedriftet. Vielerorts werden Flüchtlinge immer stärker diskriminiert, kriminalisiert und letztlich auch als Wurzel aller sozialen und wirtschaftlichen Probleme verklärt. Die Kosten für Migration und soziale Hilfen werden breitgetreten und ausgebeutete Arbeiter*innen und Menschen in sozialer Not gegen einander ausgespielt. Anstatt die wahren Probleme, nämlich unser kapitalistisches Wirtschaftssystem anzusprechen wird wo es nur geht auf die Schwächsten getreten. Betrachtet man die Verteilung von Reichtum (die reichsten 5% besitzen rund 38% des europäischen Gesamtvermögens), die astronomischen Gewinne von Großkonzernen oder allein die Milliarden an Steuern, die von diesen Großkonzernen hinterzogen werden, sind die Kosten für Migration und Sozialstaat nichts mehr als eine marginale Nebensächlichkeit.

Die Unterbringungssituation wird ebenfalls immer katastrophaler und gleicht mehr Massengefängnissen. In Ungarn werden bspw. Asylwerber*innen in Containern an der Grenze unter strengsten und unglaublich menschenverachtenden Bedingungen zwangsuntergebracht. Erst jüngst kamen Berichte ans Licht, dass Asylwerber*innen, die in erster Instanz einen negativen Bescheid erhielten und in Berufung gingen, die Versorgung mit Nahrung verweigert wurde. In Österreich will die schwarz-blaue Regierung ebenfalls Massenquartiere an der Grenze errichten. Die ÖVP-Staatssekretärin im Innenministerium erklärte hierzu ganz offen, dass es neben der einfacheren Kontrolle auch darum geht Integration und das Aufkommen von Solidarität innerhalb der Bevölkerung zu verhindern, um Abschiebungen zu erleichtern. Hierzu passt die zuletzt beschlossene Regelung, die es Asylwerber*innen verbietet in die Lehre zu gehen, gut ins Bild. In Italien hat wiederum Innenminister Salvini der rechten Lega Nord erst letzte Woche ein verschärftes Migrations- und Sicherheitspaket vorgelegt das seinesgleichen sucht. Asylanträge von Menschen die man als „sozial gefährlich“ einstuft, sollen von vornherein ausgesetzt und das humanitäre Bleiberecht im Allgemeinen nur als absolute Ausnahme verliehen werden. Erstmals soll es auch möglich sein Migrant*innen, die die italienische Staatsbürger*innenschaft besitzen, diese zu entziehen, wenn sie eine „Bedrohung für die Nation“ darstellen.

Rechte Kräfte positionieren sich mit ihrer Anti-Migrationshaltung als „Retter des europäischen Abendlandes“ und nutzen dies als Vehikel um ihre nationale und rassistische Ideologie zu verbreiten. Unter dem Deckmantel der Begriffe Kultur oder Identität wird auch das Denken in Rassen wieder salonfähig. Dieser extreme Rechtsruck muss gestoppt werden!

Flüchtlings- und Solidaritätsbewegungen, Kämpfe gegen rechte Kräfte sowie auch der Kampf gegen Sozialabbau und der verschärften Ausbeutung der Arbeiter*innenklasse müssen verbunden werden. Nur gemeinsam können wir uns diesem Rechtsruck entgegenstellen und letzten Endes auch die wahre Wurzel wirtschaftlicher und sozialer Probleme, nämlich den Kapitalismus selbst beseitigen.


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