Ein Jahr Hanau – Wie Rassismus effektiv bekämpfen?

Dieses Jahr am 19./20. Februar jährt sich der rassistische Anschlag in Hanau, der zehn Menschen das Leben kostete. Ihre Namen sind inzwischen Deutschland weit bekannt: Ferhat Unvar, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun, Said Nesar Hashemi, Fatih Saraçoğlu, Gabriele Rathjen. Was aber auch inzwischen jedem bekannt sein sollte ist, dass es sich bei Hanau um keinen Einzelfall handelte. Die Anschläge in Rostock-Lichtenhagen August 1992 gegen Asylbewerber*innen und vietnamesische Vertragsarbeiter*innen, der NSU und seine Attentate an migrantischen Ladenbesitzer*innen, der Anschlag auf eine Synagoge letztes Jahr in Halle und die zahlreichen Brandanschläge auf Asylheime, wo es allein 2015 mehr als 1000 Stück in Deutschland gab. Dies sind nur einige Beispiele einer Mordserie gegen Migrant*innen, gesellschaftlich Unterdrückte, aber auch Linke seit dem 2. Weltkrieg in der BRD.

Eine wichtige Rolle spielten dabei auch Polizei, Gerichte und der Verfassungsschutz. Zum Beispiel bei der Verbrennung Oury Jallohs 2005 durch die Polizei selbst, beim NSU 2.0, dessen Drohnachrichten von Polizeicomputern kamen, bei der Ermordung Jorge Gomondais, als gerichtliche und polizeiliche Daten einfach verschwanden oder auch bei den NSU Morden, bei denen V-Männer teilweise anwesend waren oder Informationen nicht rausgegeben wurden. Aber auch die Ermordung von Migrant*innen an den Außengrenzen Europas, dass sie in Lagern wie das auf Moria gesperrt und menschenunwürdig behandelt werden, ist ein Teil dieser Mordserie.

Doch was müssen wir tun, damit dies endet?

Zuerst einmal ist es wichtig den Zusammenhang nicht nur zwischen dem bürgerlichen Staat und Rassismus, sondern auch der kapitalistischen Wirtschaftsweise und dem Rassismus zu verstehen.

Rassismus hat seine Wurzeln im kapitalistischen Nationalstaat: Mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise und der Ersetzung der feudalen durch die industrielle Gesellschaft, mit der Ersetzung der Adelsherrschaft durch die Bürgerliche entstanden neue Formen der Unterdrückung. Der bürgerlich kapitalistische Staat steht stets in Konkurrenz mit anderen Nationalstaaten um den größten Profit. Er vertritt dabei das Gesamtinteresse der Kapitalist*innen auf nationaler Ebene. Mit der Kolonialisierung entstanden große imperialistische Mächte, wie Deutschland, die USA oder Frankreich und ausgebeutete Kolonialstaaten. Heute sind die meisten dieser Staaten zwar formal selbstständig, aber politisch und wirtschaftlich immer noch abhängig, weshalb wir sie Halbkolonien nennen. Die Kapitalist*innen in den imperialistischen Staaten sammeln in ihrer Konkurrenz immer mehr Kapital an, sodass die Anlagemöglichkeiten im eigenen Land nicht mehr ausreichen. Deswegen müssen sie Ihr Kapital auslagern. Viele investieren in Halbkolonien, kaufen Fabriken, Land und Infrastruktur dort auf, wo sie hohe Profite einfahren, Mensch und Natur unter unwürdigen Bedingungen ausbeuten können. Dieses Vorgehen muss mit diplomatischer, wirtschaftlicher oder mit militärischer Gewalt durchgesetzt werden, wobei der bewaffnete Krieg der krasseste Auswuchs ist. Rassismus legitimiert sowohl Unterdrückung als auch ihre Durchsetzung, indem er Menschen in rassische Kategorien einteilt, bei denen alle nicht-weiße unzulänglich und damit zurecht benachteiligt oder beherrscht sind. Aber er legitimiert damit auch die Ausbeutung von z.B. Leiharbeiter*innen im eigenen Land. Da er in die gesamte Gesellschaft vordringt, also auch die Arbeiter*innenklasse, sorgt er für ihre Spaltung in Nationalitäten, den Ausschluss von Migrant*innen aus Gewerkschaften und sozialchauvinistische Ideologien und verhindert somit einen gemeinsamen Kampf aller Unterdrückten. Das kommt der herrschenden Klasse sehr gelegen. Im imperialistische Weltsystem rechtfertigt der Rassismus die Überausbeutung großer Teile der Welt, die Entsolidarisierung weiter Teile der Arbeiter*innenklasse in imperialistischen Nationen, sowie Kriege um Ressourcen und Vorherrschaft. Um Rassismus zu bekämpfen, müssen wir daher auch den Kapitalismus bekämpfen. Dafür haben wir drei wichtige antirassistische Forderungen aufgestellt, die erklären, wie man vorgehen sollte.

Offene Grenzen und Staatsbürger*innenrechte für Alle!

An den Grenzen Europas werden derzeit tausende Menschen ermordet. Sie ertrinken im Mittelmeer, sterben in Lagern oder werden von rassistischen Milizen oder der Grenzpolizei selbst angegriffen. Wir müssen diesen Morden ein Ende setzen, genau wie dem EU-Imperialismus. Deswegen fordern wir die Zerschlagung von Frontex oder ähnlichen Grenzpolizeieinheiten, genau wie die Auflösung aller Lager an den europäischen Außengrenzen und die uneingeschränkte Aufnahme der Geflüchteten in Europa. Um dies zu ermöglichen brauchen wir eine europaweite Vernetzung der antirassistischen und Arbeiter*innenbewegung. Aber warum gerade die Arbeiter*innen? Bei ihnen kommen einige wichtige Aspekte zusammen: Erstens sind sie keine Nutznießer des Rassismus, ganz im Gegenteil, wie schon gesagt, werden sie dadurch eher gespalten und gegeneinander ausgespielt, während sie genau denen gegenüberstehen, die vom Imperialismus und Rassismus profitieren, nämlich den Kapitalist*innen. Zweitens haben sie sehr mächtige Kampfmethoden, um Forderungen umzusetzen, nämlich Streiks und Besetzungen von Betrieben, welche großen wirtschaftlichen Schaden anrichten können. Drittens und am wichtigsten schlummert in den Arbeiter*innen die Grundlage für eine solidarische Gesellschaft, da sie im Stande sind, eine Produktion fernab von Profitzwang und Ausbeutung aufzubauen, sobald die Mittel dazu aus den Händen der Kapitalist*innen gerissen wurden. Die Arbeiter*innenbewegung muss sich dessen bewusstwerden und sich aus internationaler Solidarität für offenen Grenzen einsetzen!

Aber auch die Menschen, die hierherkommen, werden noch ungleich behandelt. Der staatliche Rassismus in Deutschland spiegelt sich nicht nur darin wider, dass es rassistische Polizeikontrollen gibt, oder Menschen bei der kleinsten Straftat, wie einem Ladendiebstahl, abgeschoben werden können. Es gelten unter anderem auch Arbeitsverbote für Migrant*innen, die noch keine Staatsbürger*innenschaft haben. Nun ist Lohnarbeit natürlich Ausbeutung und es gilt diese zu überwinden, aber innerhalb des Kapitalismus sind alle Arbeiter*innen abhängig von ihr. Viele Migrant*innen bleiben direkt abhängig vom Staat und dürfen nicht arbeiten. Das verbreitet und reproduziert wieder rassistische Klischees in der Arbeiter*innenklasse und im Kleinbürger*innentum von den angeblich so „faulen“ Migrant*innen. Außerdem drängt es viele Migrant*innen in die unterbezahlte Schwarzarbeit oder in bestimmte Formen der Gang- und Drogenkriminalität. Deswegen ist es mehr als nötig die Abschaffung jeder rechtlichen Benachteiligung von Migrant*innen und insbesondere der Arbeitsverbote zu fordern. Zudem ist auch die Isolation in Sammelunterkünften ein großes Problem, weil Geflüchtete dadurch kein selbstbestimmtes Leben führen können und nur schwierig am öffentlichen Leben teilnehmen können. Her mit der dezentralen Unterbringung durch Enteignung des leerstehenden Wohnraumes, Spekulationsobjekte und Hotels!

Menschen sind oft aus bestimmten Gründen auf der Flucht. Viele fliehen vor Armut, Umweltkatastrophen oder Kriegen. Deutschland spielt dabei mit der Beteiligung in der NATO und mit massiven Waffenexporten, aber auch als führender Imperialist in der EU bei der Ausbeutung von afrikanischen Wirtschaften, eine zentrale Rolle. Deswegen müssen wir hier anfangen, um Fluchtursachen ein Ende zu setzen! Eine weitere zentrale Forderung ist die Vergesellschaftung von Rüstungskonzernen und allen weiteren Konzernen/ Unternehmen, die von Krieg, Flucht und dem rassistischen Lagersystem profitieren. Sie müssen unter Kontrolle der Belegschafteb zu einer Produktion umgebaut werden, die unsere Bedürfnisse befriedigen, statt nur für Krieg und Leid zu sorgen! Zudem müssen die NATO und andere imperialistische Militärbündnisse zerschlagen werden, denn sie stehen für ständiges Aufrüsten zwischen imperialistischen Machtblöcken, Kriege um Ressourcen, Einfluss und weltweite Durchsetzung von Unterdrückung.

Schluss mit Angriffen und Terrorismus Migrant*innen und Linke!

Hanau, Halle, Rostock-Lichtenhagen. Jorge Gomondai, Silvio Meier, Amadeu Antonio Kiowa. Rassistische Angriffe und Terrorismus gegen Linke und Migrant*innen sind in der BRD Alltag. Im Kampf dagegen können wir uns auf Staat und Justiz nicht verlassen. Stattdessen müssen wir uns dagegen organisieren. Wir brauchen Arbeiter*innenmilizen zur Selbstverteidigung. Diese müssen kollektiv, massenhaft organisiert und vor allem wähl und abwählbar sein. Sie sind notwendig, wenn wir uns effektiv gegen neonazistische Angriffe wehren wollen.

Weiterhin muss der Verfassungsschutz zerschlagen werden, denn er hat unfassbar viele Agenten in den Reihen von Neonazi-Gruppen. Das Problem ist, dass dies auch Doppelagenten der Neonazis sein könnten und es oft schon waren. Außerdem schützt der Verfassungsschutz seine Agenten/Ansprechpartner so sehr, dass selbst der Tod anderer Menschen in Kauf genommen wird. Bei den NSU-Morden hatte der Verfassungsschutz viele Infos, die über Jahre einfach nicht herausgegeben wurden. Bei einem der letzten Morde war ein Verfassungsschutz-Mitarbeiter anwesend und wollte angeblich nichts gesehen haben. Dieser wurde wegen Zeugenschutz nie verurteilt.

Lasst uns den antirassistischen mit dem antikapitalistischen Kampf verbinden, denn die massenhafte Unsicherheit und Angst gerade in kapitalistischen Krisen sind Anknüpfungspunkte für die rücksichtslosen Ideen faschistischer Ideologien. Da es im Kapitalismus immer wieder zu Krisen kommt, müssen wir den Kapitalismus selbst überwinden und dafür sorgen, dass kein Mensch mehr in Angst oder Unsicherheit leben muss! Da die Arbeiter*innenklasse die Kraft ist, die diese neue Gesellschaft aufbauen kann, müssen ihr Organe auch alle rassistisch Unterdrückte sowie deren Organisationen ansprechen, indem ihnen alle nötigen Rechte darin zugestanden werden und der gemeinsame Kampf zwischen weiße und nicht-weiße Arbeiter*innen den Rassismus dahingehend überwindet, dass der eigentliche Gegner Kapitalismus heißt! Wir wollen den Aufbau einer internationalen Antikrisenbewegung angehen, die sich gegen Militarismus, Rassismus, imperialistische Kriege und die Abwälzung der Krisenkosten auf die Arbeiter*innenklasse und Halbkolonien einsetzt. Wir müssen dafür vor allem auf die Führung von Linkspartei und SPD Druck ausüben, und deren Basis selbst ein solides revolutionäres Programm vorschlagen, für dass wir in den Gewerkschaften und auf der Straße eintreten.

Abschaffung von rassistischer Polizei und Gerichten!

Polizei, Gerichte, aber auch die staatliche Gesetzgebung sind die nationale Vertretung des Kapitals. Sie sind es auch, die strukturell rassistisch sind. Das liegt nicht daran, dass dort nur rechte Menschen arbeiten würden. Vielmehr ist es so, dass sie das nationale Interesse des Kapitals zuerst vertreten müssen. So werden Waffenexporte abgesichert, Migrant*innen als „Kostenfaktor“ abgeschoben, die Ausbeutung von billigen Leiharbeiter*innen legitimiert und so weiter. Dies alles führt, neben der allgemeinen Sozialisierung in der bürgerlichen Gesellschaft, zu einem chauvinistischen und rassistischen Weltbild.

Deswegen fordern wir die Abschaffung/ Zerschlagung von der Polizei und ihre Ersetzung durch kollektive, demokratische, organisierte Selbstverteidigung (Arbeiter*innenmilizen). Auch Gerichte schützen allzu oft rassistische Gesetze und bürgerliche Eigentumsverhältnisse und sind nicht demokratisch legitimiert, obwohl sie viel Macht haben. Deswegen wollen wir sie durch gewählte (und abwählbare) sowie rechenschaftspflichtige Tribunalen ersetzen, die im Sinne unserer internationalen Klasse entscheiden. Dahingehend soll ein Sofortprogramm der Arbeiter*innenklasse unter Kontrolle von Gewerkschaften, Komitees und Räten erarbeitet werden.

Da bürgerliche Staaten im Kapitalismus sich immer durch strukturellen Rassismus auszeichnen, müssen wir sie durch einen revolutionären Umsturz abschaffen und durch eine international vernetzte Rätedemokratie ersetzten. Dafür müssen alle internationalen Kernindustrien enteignet und unter Arbeiter*innenkontrolle vergesellschaftet werden. Denn die politische und militärische Macht ist immer ein Resultat der ökonomischen Bedingungen. Eine Gesellschaft nach dem Kapitalismus würde eine demokratische Planung der Wirtschaft nach Bedürfnissen statt Profit umsetzen. Dies wird die Überausbeutung der halbkolonialen Länder abschaffen, weil sich das Kapital nicht mehr in den Händen weniger Großkonzerne in imperialistischen Staaten konzentrieren würden und weil die Wirtschaft nicht mehr auf Profit ausgelegt wäre. Dem Rassismus wäre seine Grundlage entzogen, denn seine unmittelbaren Ursachen wären abgeschafft!

REVO - Germany

Artikel von Revolution Deutschland - unserer deutschen Schwesternsektion.