Österreichs Komplizenschaft im Sudan – Blut an den Händen der OMV

Dieser Artikel konzentriert sich auf die Rolle des österreichischen Staates im sudanesischen Bürgerkrieg. Für eine allgemeinere Einschätzung der Lage und eine genauere Geschichte der sudanesischen Dezember-Revolution siehe hier.

Im Sudan herrscht seit über zweieinhalb Jahren ein brutaler konterrevolutionärer Krieg, der von den Sudanese Armed Forces (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF) geführt und von imperialistischen Mächten befeuert wird. Rund 12 Millionen Menschen wurden bereits vertrieben, mehrere hunderttausend Zivilist:innen ermordet – und all das, um die wirtschaftlichen Interessen der beteiligten sudanesischen und internationalen Eliten zu sichern. Doch wie kam es zu diesen Grausamkeiten, was ist Österreichs Rolle in der Konterrevolution und was können wir konkret tun, um uns mit den Widerstandskämpfer:innen zu solidarisieren?

Ein kurzer historischer Kontext

Um die heutige Konterrevolution im Sudan etwas besser zu verstehen, müssen wir uns zunächst an die Dezember-Revolution von 2018/2019 erinnern. Dabei wurde der Diktator Omar al-Bashir gestürzt. Er hatte 30 Jahre lang ein rassistisches Regime geführt, bei dem systematisch nicht-Arabische Sudanes:innen gewaltsam unterdrückt wurden. Diese Unterdrückung und ihre materielle Grundlage – die Bereicherung des elitären Norden des Landes durch die Ausbeutung der restlichen Regionen – haben ihren Ursprung lange vor al-Bashirs Herrschaft, der diese strukturelle Ungleichheit weiter ausbaute und in seinem Sinne nutzte.

Auch dagegen wehrte sich die Dezember-Revolution, an deren Spitze besonders Frauen, Arbeiter:innen und Gewerkschaften standen, und forderte demokratisches Mitspracherecht sowie Gerechtigkeit für die vom Regime begangenen Verbrechen. Im August 2019 wurde schließlich eine Übergangsregierung eingeleitet, die sich auf dem Papier dazu bekannte, den Forderungen der Revolution nachzugehen und beispielsweise auch eine 40-prozentige Frauenquote im Gesetzesrat einzuführen. Allerdings führte dieses Übergangsregime keine strukturelle Veränderung herbei, sondern diente in erster Linie den wirtschaftlichen Interessen der sudanesischen Elite.

2021 folgte ein Militärputsch von den Sudanese Armed Forces (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF), die damals noch alliiert waren. Grund dafür war ein Streben nach wirtschaftlicher Dominanz und eine neoliberale Reform des IMF, die Subventionen für Treibstoff und Brot gestrichen hatte. Nach diesem Militärputsch kamen Uneinigkeiten zwischen SAF und RSF zutage, die sich vor allem um den Vorschlag drehten, die RSF rasch in die SAF zu integrieren und ihr unterzuordnen. Am 15. April 2023 eskalierte der konterrevolutionäre Machtkampf zwischen SAF und RSF zu einem imperialistisch befeuerten Bürgerkrieg, der bis heute andauert.

Wer sind die involvierten Parteien?

Vordergründig handelt es sich um einen Interessenskonflikt zwischen zwei bewaffneten Gruppen: den RSF unter Mohammed Hamdan Daglo (oft „Hemeti“ genannt) und den SAF unter Abdel Fattah al-Burhan. Beide Konfliktparteien haben jahrzehntelang für al-Bashirs Regime gearbeitet – sie sind beide für unzählige Verbrechen verantwortlich und haben den ethno-nationalistischen Kurs al-Bashirs gestärkt und zementiert.

Die SAF werden militärisch von Ägypten, Saudi-Arabien und der Türkei unterstützt. Andererseits werden Mohamed Hamdan Daglos RSF von Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) mit Waffen versorgt. Die VAE wiederum beziehen ihre Waffen unter anderem aus den USA, China und Deutschland. Auch Österreich hat in den letzten Jahren Waffenteile an die VAE geliefert. Die VAE sind Österreichs siebtgrößter Investor, und 2024 überstiegen Österreichs Exporte in die VAE 800 Millionen Euro. Somit ist auch Österreich verantwortlich für die genozidalen Grausamkeiten der VAE, auch wenn es so gerne die Linie der „Neutralität“ vertritt.

Ziel der sudanesischen Konfliktparteien ist es, die Alleinherrschaft über den Sudan und seine Ressourcen zu erlangen. Die RSF haben bereits 2017 die Kontrolle über eine Goldmine in Darfur, die ihnen seitdem als eine Einkommensquelle dient, an sich gerissen. Ziel der international involvierten Parteien ist es, im Austausch von Waffen sudanesisches Gold zu extrahieren und sich als regionale Mächte zu positionieren. Der Sudan ist nämlich mit seinem Zugang zum Roten Meer und dem Nilfluss ein strategischer Ort für imperialistische Mächte, der eine Verbindung zwischen dem afrikanischen Kontinent und dem arabischen Südwestasien darstellt. Russland plant beispielsweise auch einen Marinestützpunkt am sudanesischen Hafen Port Sudan.

Besonders die VAE haben allein in der ersten Hälfte dieses Jahres 90% der offiziellen sudanesischen Goldexporte aus dem Land geschmuggelt. Die Leidtragenden sind dabei die über zehn Millionen Sudanes:innen, die im Laufe des konterrevolutionären Bürgerkriegs verdrängt wurden oder aus ihrer Heimat fliehen mussten. Hunderttausende Zivilist:innen wurden ermordet, um die wirtschaftlichen Interessen der herrschenden Eliten zu sichern. Auch die EU kooperiert im Rahmen des 2014 beschlossenen Abkommens „Khartum-Prozess“ mit den sudanesischen Militärgruppen, um Migration nach Europa einzuschränken. Die USA spielen ebenfalls eine beachtliche Rolle. 2020 haben sowohl die USA als auch die VAE das damalige sudanesische Übergangsregime dazu gebracht, die Abraham Accords zu unterschreiben, was eine vertragliche Beziehung zu Israel herstellt und normalisiert. Die USA köderten im Austausch für die Unterzeichnung dieses Abkommens mit dem Angebot, den Sudan von der sogenannten Liste der „Staatlichen Sponsoren des Terrorismus“ – einem Instrument der USA, um Staaten des Globalen Südens zu sanktionieren, international zu isolieren und von ihrer „Hilfe“ abhängig zu machen – zu entfernen. Mit der Anerkennung Israels wurden endgültig die Forderungen der Dezemberrevolution außer Acht gelassen und vor allem im Interesse der sudanesischen Elite gehandelt. Die Abraham Accords zeigen auch auf, wie die USA den Sudan strategisch vom Weltgeschehen isolieren und die imperialistische Kontrolle über das Land aufrechterhalten.

Es ist also wichtig zu betonen, dass die Konterrevolution im Sudan die Auswirkung neokolonialer Machtausübung ist, bei der sudanesische Ressourcen von regionalen und globalen Eliten ausgebeutet werden. Alle involvierten imperialistischen Länder und Regionalmächte haben den Bürgerkrieg zu dem gemacht, was er heute ist – unzählige Länder versorgen die VAE mit Waffen, die VAE begeht Genozide und schmuggelt Gold. Während die Konterrevolution häufig als eine brutale Auseinandersetzung zwischen zwei Generälen geframed wird, stecken noch mehr Parteien dahinter.

Auch Österreich spielt hier eine beachtliche Rolle.

Österreich, die OMV, und sudanesisches Öl

Die OMV Aktiengesellschaft ist ein österreichischer Öl- und Gaskonzern, der mit den Investitionen in fossile Brennstoffe und der Ausbeutung natürlicher Ressourcen Milliarden von Profit macht. Dem österreichischen Staat gehört ein Drittel der OMV, der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) ein Viertel, der Rest besteht aus institutionellen und privaten Investitionen. Während diese Aktionäre Unmengen an Gewinn aus den Öl- und Gasförderungen der OMV einnehmen, leiden Milliarden Menschen an den Auswirkungen. Fossile Konzerne wie die OMV sind nämlich die Hauptverursacher der Klimakrise – Hochwasser, Waldbrände und viele andere Naturkatastrophen entstehen als Folge ihrer schonungsloser Ausbeutung. Während die OMV sich als „Schützer der Umwelt“ inszeniert, wird sich die Öl- und Gasplünderung allein in den letzten 10 Jahren bis 2300 auf die Umwelt auswirken. Der österreichische Staat sowie die anderen Investoren sind mitverantwortlich für die Grausamkeiten, die die OMV besonders in rohstoffreichen Halbkolonien – so auch im Sudan – begeht. 

Von 1997 bis 2004 hat die OMV 115 Millionen Dollar Profit mit der Ausbeutung sudanesischer Ölressourcen gewonnen. Bis zur Unabhängigkeit des Südsudans war der Ölexport die wichtigste Einnahmequelle des sudanesischen Staates. Da jedoch der Großteil der Ölfelder im heutigen Südsudan liegt und der Sudan seit dessen Unabhängigkeit nicht mehr von der Ausbeutung des Öls profitieren kann, stützt sich die sudanesische Regierung heute auf den Schmuggel von Gold. Damals war die OMV Teil eines Konsortiums, also eines Zusammenschlusses von vier Unternehmen, die südsudanesisches Erdöl förderten. Die OMV hatte dabei einen Anteil von 25% an den beiden Explorationsgebieten „Block A und B“. 2003 hat sie ihre sudanesischen Vermögenswerte mit 50 Millionen Euro Gewinn verkauft.

Die damalige sudanesische Regierung unter al-Bashir beging zu der Zeit gravierende und systematische Kriegsverbrechen an der südsudanesischen Bevölkerung, um die Ölförderung zu ermöglichen und zu kontrollieren. Gleichzeitig wurden mit den Ölprofiten zahlreiche Waffen beschafft und die militärische Infrastruktur massiv ausgebaut. Es wurden mehr als 12.000 Zivilist:innen ermordet, über 160.000 Menschen vertrieben und lebensnotwendige Ressourcen sowie Wohnhäuser zerstört. Die OMV wurde laufend über die brutalen Auswirkungen ihres Ölgeschäfts informiert, distanzierte sich jedoch nie davon. Auch der österreichische Staat wusste von diesen Gräueltaten, schließlich gehört ihm ein Drittel der OMV. Sowohl das österreichische Außenministerium als auch die OMV predigten lediglich, dass die Einnahmen der Ölförderung „die Lebenssituation der Bevölkerung verbessern“ und „die Entwicklungspolitik des Sudan fördern“ würden. Dieses rassistische Narrativ ist eine gängige Argumentation imperialistischer Mächte, um zu versuchen, ihre neokolonialen Kriegsverbrechen mit einem Helfersyndrom zu legitimieren. Österreich positioniert sich hier, wie viele andere Mächte des imperialistischen Zentrums, als Wohltäter einer entmündigten sudanesischen Bevölkerung, die nur mit seinen Öl-Profiten zu retten sei.

Im Jahr 2023 wurde die schwedische Ölfirma Lundin mit Beihilfe zu Kriegsverbrechen angeklagt. Sie hatte das Konsortium verwaltet, an dem die OMV zu 26% beteiligt war. Der Gerichtsprozess wird voraussichtlich bis 2026 dauern. Die OMV versucht, sich von jeder Verantwortung zu distanzieren und behauptet, sie habe als Minderheitsbeteiligte nichts mit den Verbrechen zu tun gehabt. Tatsächlich war die OMV jedoch nicht nur stimmberechtigt, sondern verfügte auch bei allen Entscheidungen über eine Sperrminorität. Das bedeutet, dass ihr Anteil am Konsortium groß genug war, um wichtige Entscheidungen zu verhindern. Damit macht sie sich mitschuldig an den Kriegsverbrechen, die der sudanesische Staat zur Sicherung der Ölförderung begangen hat. Als Hauptaktionär der OMV trägt auch Österreich einen wesentlichen Teil dieser Verantwortung.

Wie bereits erwähnt, gehört auch ADNOC, ein staatlicher Ölkonzern der VAE, einem beachtlichen Teil der OMV. Gleichzeitig entwickelt die OMV derzeit in Bruck an der Leitha eine große Wasserstoffanlage, die zur Hälfte von Masdar, einem Investor aus den VAE, finanziert wird. Das Staatskapital von Österreich und der VAE schließen sich somit zusammen, um die Ressourcen halbkolonialer Länder auszubeuten und mit dem Erlös Krieg und Genozid zu finanzieren.

All das zeigt: Solange multinationale Konzerne als oberstes Ziel eine Steigerung ihres Profits verfolgen, bleiben Menschen- und Völkerrecht sowie die Wahrung der Umwelt bestenfalls sekundär. Der einzige Weg, der imperialistischen Profitgier der OMV auf Kosten von Mensch und Natur ein Ende zu setzen, liegt in ihrer Enteignung und Vergesellschaftung durch jene, die ihren Profit überhaupt erst ermöglichen: die Arbeiter:innen. Nur wenn die großen Industrien nicht mehr dem Gesetz der kapitalistischen Wirtschaft unterliegen, können sie der absoluten Mehrheit der Menschheit dienen.

Unsere Forderungen für einen freien Sudan

Was oft als größte humanitäre Krise der Welt bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit eine brutale Konterrevolution, bei der sowohl sudanesische als auch internationale Eliten das Land für seine Ressourcen ausbeuten. Und während wir die humanitäre Lage im Sudan auf gar keinen Fall vernachlässigen dürfen, ist es wichtig zu betonen, dass regionale und imperialistische Akteure, die von dieser Ausbeutung (und spezifisch vom sudanesischen Gold) profitieren, eigene Interessen verfolgen und die Grundlage für eine solche Katastrophe erst geschaffen haben.

Damit die sudanesischen Arbeiter:innen, Kleinbäuer:innen und Unterdrückten endlich die Selbstbestimmung erreichen können, für die sie so lange schon kämpfen, braucht es die Übertragung der Macht vom Militär auf die Organe der Revolution. Einfache Soldaten müssen sich vom Kommando der elitären Generäle lösen, die alles andere als im Interesse der sudanesischen Bevölkerung handeln. Sie sollten sich mit den bereits aufgebauten Resistance Committees verbünden, und die Resistance Committees sollten sich im Zuge dessen ebenfalls bewaffnen. Es braucht eine Revolution, die die Macht der Eliten vollständig bricht und durch bewaffnete, demokratische Räte der Arbeiter:innen, Kleinbäuer:innen und Unterdrückten ersetzt.

Doch was können wir hier in Österreich tun? Der Weg zu materiellen Veränderungen imperialistischer Kräfteverhältnisse ist, wie wir auch anhand der Bewegung gegen den Genozid am palästinensischen Volk gesehen haben, oft lang und steinig. Zuallererst müssen wir wissen, was wir fordern:

  • Den Rückzug aller imperialistischen Akteure aus dem Krieg im Sudan und den sofortigen Stopp der Waffenlieferungen an RSF und SAF
  • Die Offenlegung aller Verbindungen des österreichischen Staates mit Waffenlieferungen in den Sudan und die Beendigung dieser
  • Die bedingungslose Streichung aller sudanesischen Staatschulden bei imperialistischen Gläubigern wie dem IWF
  • Die Offenlegung aller Geschäftsbeziehungen der OMV, insbesondere im Sudan
  • Reparationen und Gerechtigkeit für die von der OMV verübten Verbrechen
  • Die Enteignung der OMV unter Arbeiter:innenkontrolle, damit sie den Interessen der Mehrheit dienen kann
  • Ein Ende der strategischen Partnerschaft Österreichs mit den VAE, solange diese aktiv ethnische Säuberungen und Massaker an Zivilist:innen unterstützten

Um diesen Forderungen Gewicht zu verleihen, müssen wir Druck aufbauen – Kundgebungen organisieren, diese Forderungen in Bündnisse hineintragen, Aktionen organisieren (z.B. vor OMV-Standorten etc.). Es ist unglaublich wichtig, dass nicht nur wir uns mit den Geschehnissen im Sudan auseinandersetzen, sondern auch eine breitere Masse erreichen und informieren. Zwar gehen einige Menschen auf die Straße, doch es wird immer noch viel zu wenig darüber berichtet. Wir wollen die sudanesische Diaspora in Wien bei der Mobilisierung für Demonstrationen unterstützen und gemeinsam für einen freien Sudan kämpfen.

Free Sudan!


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