#metoo und Causa Pilz

Wenngleich die Tatsache, dass die Film- und Unterhaltungsindustrie, allen voran Hollywood, nicht gerade die fortschrittlichste Branche ist, keine große Überraschung darstellt, waren die Enthüllungen um den Filmproduzenten Harvey Weinstein doch erschütternd, wenn man bedenkt in welchem Ausmaß Weinstein Frauen über Jahrzehnte hinweg belästigte, zu sexuellen Handlungen nötigte oder gar vergewaltigte. Doch Harvey Weinstein ist längst kein Einzelfall, vielmehr ist es der traurige Alltag, dass Frauen oftmals mit sexuellen Grenzüberschreitungen konfrontiert sind.

Ausgehend von dem Weinstein-Skandal zeigten unzählige Betroffene auf sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook unter dem Hashtag „#metoo“ auf, wie „normalisiert“ sexuelle Grenzüberschreitungen im Alltag sind. Dies liegt nicht zuletzt an den patriarchalen Strukturen, die weiterhin zahlreiche Betroffene in soziale und ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse drängen, sowie dem gesellschaftlichen Umgang mit sexuellen Straftaten, wo die Schuld nicht selten den Betroffenen selbst gegeben wird und Täter nur in den wenigsten Fällen auch wirklich strafrechtlich verfolgt werden. Die Allgegenwärtigkeit stereotypischer und sexualisierter Darstellungen von Frauen, die Art und Weise der Sozialisierung, in der Betroffenen vermittelt wird, wie man vermeidet sexuell belästigt zu werden, anstatt Tätern beizubringen nicht sexuell zu belästigen, spielen ebenso eine entscheidende Rolle. Rückschrittliche Reaktionen, die versuchen das Leid der Betroffenen hinunterzuspielen, ihnen vorwerfen auf der Welle mit zu schwimmen, oder gar vor einer Hexenjagd gegenüber Männern sprechen, zeigen hierbei prägnant wie die Aufmerksamkeit und die Schuld auf die Betroffenen selbst gelenkt wird, anstatt die tatsächlichen Probleme zu thematisieren, und die Täter zu verurteilen. Hier von taktischem Kalkül vonseiten der Betroffenen Frauen zu sprechen zeugt einerseits von einem Unverständnis, welch ungemeiner psychischer und auch körperlicher Stress damit einhergeht wenn man sich als Betroffene von sexuellen Grenzüberschreitungen noch zusätzlich rechtfertigen muss, andererseits von einem Unwissen, dass in nahezu allen westlichen Ländern die Verurteilungsrate von sexuellen Straftaten im einstelligen Prozentbereich liegen.

Letztlich bleibt zu sagen, dass der große Verdienst der #metoo-Netzbewegung, jener ist, dass sie eine Atmosphäre geschaffen hat, in der mehr Betroffene den Mut finden mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit zu gehen. Trotzdem muss man sich bewusst sein, dass die „Dunkelziffer“ bezüglich sexualisierter Grenzüberschreitungen noch viel höher ist, nicht jede Person ist in einem Umfeld in dem ein Bekenntnis zu #metoo keine oder wenige Konsequenzen hat. Genausowenig wie Betroffene Personen auch nicht die Verpflichtung haben ihre Geschichten zu teilen. Was allerdings erstaunlich ist, dass es erst einen Aufruf von berühmten Persönlichkeiten braucht, um anzuerkennen das sexuelle Belästigung ein alltägliches Problem fast aller Frauen ist.

Causa Pilz

Nachdem in den letzten Tagen und Wochen im Zuge der #metoo-Netzbewegung immer mehr Skandale aufgedeckt wurden, wird nun auch Peter Pilz beschuldigt, mehrere Frauen sexuell belästigt zu haben. Die Taten reichen von sexuell ausfälligen Kommentaren und Handlungen bis hin zum Versuch Frauen gegen ihren Willen zu küssen. Pilz kündigte daraufhin seinen Rückzug aus der Politik an und verzichtete auf die Annahme seines Mandates, ließ sich aber die Rückkehr als parlamentarischer Mitarbeiter offen. Dieser Rücktritt und das eingestehen der eigenen Fehler ist aber noch lange keine antisexistische Hnadlung. Das Problem ist strukturell und auch wenn Pilz es gerne so darstellt, ist sein Rückzug kein „Heldenakt“ sondern nur das absolute Minimum auf Vorwürfe solcher Art zu reagieren. Ebenso äußerte er den Verdacht, dass gegen ihn eine politische Rachekampagne ausgefochten wird, was von den Medien und Unterstützer*innen seiner Liste nochmals angefacht wird. Gerade jene Fälle, in denen die Täter politisch und/oder ökonomisch wichtige Positionen innehaben, ist es für die Betroffenen meist umso schwieriger mit der Situation umzugehen, da sie sich oftmals dann noch solche Beschuldigungen gefallen lassen müssen – wiederum ein prägnantes Beispiel für die vormals beschriebenen Mechanismen des „Victim-Blamings“ – also Täter-Opfer-Umkehr.

#metoo ist ein Anfang. So viel Medienwirksamkeit auf ein strukturelles Problem zu lenken und nicht auf Einzel-Vorfälle ist ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings fehlt ein gewisser Aspekt vollkommen und zwar der des Klassenstanspunkts. Sexismus kann in unserer Gesellschaft nicht dauerhaft abgeschafft werden, ein weiterer Beweis dafür ist z.b, die Wirkung die der oben genannte hashtag sogar in unserer „offenen und befreiten“ Welt auslöst. Sexistische und Grenzüberschreitende Vorfälle werden in einer Gesellschaft in der „keine Unterdrückung der Frau mehr existiert“, Tag für Tag aufs neue ans Tageslicht gebracht. Deshalb brauchen wir eine Alternative. Kämpfen wir gemeinsam für eine wirklich befreite Welt in der mit dem Kapitalismus und der Frauenunterdrückung endgültig abgeschlossen wird.