Bildung im Kapitalismus: Bestimmen was gelernt wird

Aus der neuen REVOLUTION-Zeitung (Ausgabe 09/2012)

Wissen ist Macht und bestimmen zu können, welches Wissen weiter gegeben wird kann Macht ganz schön zementieren. Nicht ohne Grund müssen wir, wenn wir uns Bildung ansehen, feststellen dass es sich dabei immer um die Heranbildung nach den Notwendigkeiten des herrschenden Systems handelt. Für Jugendliche spielt Bildung und Ausbildung natürlich eine große Rolle, da im Kapitalismus die Welt des Lernens von der Arbeitswelt recht starr getrennt ist, und das reicht als Grund ja aus, sich das Bildungssystem in Österreich einmal ein bisschen näher anzusehen.

Der Platz, den Bildung in aktuellen Diskussionen – in den Medien, im Parlament und so weiter – einnimmt hängt im Moment recht stark damit zusammen, was als Problem empfunden wird. Auf der einen Seite ist das natürlich gut, weil wir Jugendlichen in so eine Debatte unsere Probleme mit dem Bildungssystem, die Unterfinanzierung, die fehlende Mitbestimmung für Schüler_innen und Lehrlinge oder den rückschrittlichen Lehrplan einbringen können. Traurige Realität ist trotzdem, dass die Debatte von denen bestimmt wird, die in den letzten Jahren die Bildung systematisch kaputtgespart und zusammengekürzt haben. Auch sind die Gründe dafür, dass diese Themen Medienaufmerksamkeit bekommen weniger, dass diese Bildung nicht den Bedürfnissen der Jugendlichen entspricht als vielmehr dass sie den Bedürfnissen der Wirtschaft nicht ausreicht.

Dennoch sind die zentralen diskutierten Themen tatsächlich auch problematisch – in Österreich herrscht ein Zwei-Klassen-Schulsystem, das im Alter von 10 Jahren auswählt, wer auf die Hauptschule (und damit später in Lehrberufe und schlechter bezahlte Jobs) gedrängt wird und wer aufs Gymnasium und später vielleicht auf die FH oder Uni darf. Hier wird (und das ist mit zahlreichen Statistiken nachgewiesen) stark aufgrund der Berufe der Eltern entschieden – Kinder von Arbeiter_innen stellen zum Beispiel nur 18,6% der Student_innen an österreichischen Unis, obwohl sie einen viel höheren Anteil an der Bevölkerung haben. Doch selbst die Unis sind überbelegt und unterfinanziert, eine gute Ausbildung hängt vor allem davon ab, ob man sich durch eine Reihe von Aufnahmeprüfungen kämpfen kann und Plätze in den überfüllten Vorlesungen ergattert – sicher bewundernswerte Fähigkeiten, die mit der fachlichen Begabung aber meistens nichts zu tun haben.

Das liegt daran, dass sich Bildung nicht, wie man uns erzählt an den Begabungen und Interessen der Menschen orientiert, sondern dass der Staat als Verteidigerin des Kapitalismus versucht, die knallharten Interessen der Wirtschaft durchzusetzen. Das bedeutet nicht nur, dass Menschen nur solche Qualifikationen erwerben können oder dürfen (zum Beispiel durch K.O.-Tests und Studiengebühren) die im Produktionsprozess wirklich benötigt werden, sondern auch, dass der Zugang zu Wissen und Informationen bewusst eingeschränkt wird. Nicht nur braucht die Wirtschaft keine Tausenden Kunstwissenschaftler_innen, sie braucht vor allem keine Millionen Arbeiter_innen und Jugendlichen, die Statistiken lesen und die Frage stellen, warum so wenige so viel haben.

Die Wurzeln der Schulen und Berufsschulen in Österreich liegen in einem System vor dem Kapitalismus. Die ersten Schulen waren Klosterschulen – denn Lesen und Schreiben zu lernen war vor allem für die Kirche wichtig, die dadurch eine enorme Macht ausübte. Indem sie die einzige Instanz war, die über die „heilige Wahrheit“ der Bibel berichtete konnten sie ihre Interessen und die des Adels – mit dem das Wissen geteilt wurde – gut durchsetzen und mit der Religion begründen.

Unter Kaiserin Maria Theresia wurde dann die Schulpflicht eingeführt – in der aber nur die grundlegendsten Fähigkeiten vermittelt wurden. Das war notwendig um zu ermöglichen, dass Kinder nicht nur die Berufe ihrer Eltern ausüben konnten sondern Teil des wachsenden Proletariats werden konnten. Daneben gab es aber sehr teure Privatschulen, die die Unternehmer_innen dieser Tage ausbildeten. Aber auch staatliche Eliteschulen richtete Maria Theresia erstmals nach einem zentralen Plan ein – nämlich Militärschulen, in denen die Kinder von reicheren Bürger_innen und Adeligen ausgebildet wurden. Das heutige Schulsystem mit seinen großen Einheiten, starren Hierarchien und einem Strafsystem ist übrigens im Prinzip immer noch so organisiert wie damals.

So wie das theresianische Schulsystem sich bemühte, die Bildung zu organisieren, die der gesellschaftlichen Entwicklung entsprach ist auch der Kapitalismus (beziehungsweise seine Vertreter_innen aus Wirtschaft und Regierung) entschlossen, seine Ideen durchzusetzen. Das führt beispielsweise auch dazu, dass Schulbildung (die Lehre ja ohnehin) immer mehr an die Vorgaben der Wirtschaft und den freien Markt gekoppelt werden. Kaum eine Schule kommt heute ohne Sponsor_innen, Werbeplakate und zum Teil sogar Aktienbeteiligungen aus – andere Schulen finanzieren sich über ein Schulgeld, das wiederum sicher stellt, das „bessere“ Bildung in erster Linie Jugendlichen mit reicherer Familie zugute kommt.

Aber auch die Sachen, die wir in der Schule beigebracht bekommen haben weniger mit der Wirklichkeit oder kritischem Nachfragen zu tun. Stattdessen bekommen wir, zum Teil durch die bürgerliche Wissenschaft verzerrte Fakten und Zahlen zum Auswendiglernen vorgesetzt, die einen kleinen Teil dessen darstellt, was gesellschaftlich interessant ist. Der russische Revolutionär Lenin schrieb einmal: „90% dessen, was in der Schule gelehrt wird ist nutzlos und 10% verzerrt“. Stattdessen ziehen sich Rassismus, Imperialismus und Kapitalismus als positive Ideen (wenn auch natürlich getarnt) durch den Unterrichtsstoff, es wird zum Teil Geschichte falsch unterrichtet oder ignoriert und Rollenbilder werden in den Gewohnheiten einzementiert.

Wir als Revolutionär_innen haben natürlich eine andere Vorstellung, wie ein Bildungssystem aussehen sollte – aber wir wissen auch, das wenn wir ein freies, gleichberechtigtes und allen zugängliches Bildungswesen erreichen wollen, müssen wir die Gesellschaft erkämpfen, der ein solches Bildungssystem nützlich ist – den Sozialismus! Trotzdem haben wir natürlich schon heute Vorschläge und Forderungen, wie die Bildung zu verbessern ist, um die Lage der Jugendlichen und Arbeiter_innen zu verbessern, auch wenn das auf Kosten der Herrschenden geht.

Wir kämpfen schon jetzt für die Entmachtung der Direktor_innen und dafür, richtige Demokratie in den Schulen, Berufsschulen, Unis und Lehrbetrieben einzuführen. Statt das alle Entscheidungen von einer oder wenigen Personen getroffen werden, die mit uns Schüler_innen in erster Linie recht wenig zu tun haben sollen Versammlungen aller Schüler_innen und Beschäftigten solche Entscheidungen treffen, wobei jede und jeder eine Stimme haben. Wir fordern volle Mitbestimmung über die Lehrpläne zusammen mit der organisierten Arbeiter_innenbewegung, die Abschaffung von Betragensnoten – damit werden nicht Fähigkeiten bewertet, sondern wie angepasst Schüler_innen sind – und das alle reaktionären Einflüsse wie Religion, Wirtschaft oder Armee sich aus der Schule raushalten sollen.

Natürlich reicht es nicht, solche Forderungen aufzustellen – sie kratzen zu sehr an den Grundprinzipien des Kapitalismus, als dass sie uns „gewährt“ würden. Daher müssen wir durch eine Mischung aus Druck (beispielsweise durch Unterschriftenlisten, Streiks, Demos und Besetzungen) und Selbstermächtigung (indem wir uns Schüler_innenvollversammlungen oder eine Beobachtung von Prüfungen durch gewählte unabhängige Vertreter_innen einfach erzwingen) beginnen, in der Schule eine Atmosphäre zu schaffen die Demokratie, Solidarität und Aktivismus befördert statt sie zu unterdrücken!

Für eine neue Bildungsbewegung, der Kampf geht weiter!