Sexuelle und Sexistische Unterdrückung im Kapitalismus. Teil 2: Spezifika der kapitalistischen Unterdrückung

Der Kapitalismus als solcher, hat nicht nur die bestehenden patriarchalen Unterdrückungsverhältnisse, deren Entstehungsgeschichte im vorangegangen Teil skizziert wurde, übernommen, sondern baut auf sie auf, sie sind elementare Bestandteile des kapitalistischen Systems ohne dem er zusammenbrechen würde, wie man beispielhaft an Hausarbeit oder der Lohnarbeit sehen kann.

Hausarbeit (Erziehung, Pflegearbeit, Reinigung, Kochen, …), also alle reproduktiven Tätigkeiten, die dazu dienen das tägliche Leben zu reproduzieren, wird immer noch größtenteils von Frauen getragen. Selbst in „modernen“ westlichen Ländern machen 79% der Frauen und nur 34% der Männer Hausarbeit. Ein besonderes Merkmal der Hausarbeit im Vergleich zu anderen Arbeiten ist, dass sie unbezahlt ist. Dies hängt mit mehreren Faktoren zusammen: Noch immer wird oftmals biologisch-deterministisch bzw. ideologisch argumentiert, dass die Hausarbeit die natürliche Pflicht der Frau wäre, oder so getan als ob Frauen eine natürliche Neigung bzw. Begabung hierfür hätten. Widersetzt man sich diesen Rollenbildern folgen gesellschaftliche Stigmatisierungen à la schlechte Hausfrau, Mutter etc., die offen aufzeigen, dass Hausarbeit noch immer ein implizites bzw. vielerorts auch ein explizites Zwangsverhältnis darstellt. Außerdem entsteht, anders als bei klassischen Berufen, keine erwerbbare Ware, die als Produkt eines Arbeitsprozesses wahrgenommen wird. Hausarbeit stellt sich vielmehr als unendlicher Kreislauf reproduktiver Tätigkeiten dar, um das tägliche Leben zu reproduzieren – die Nicht-Bezahlung verschleiert überdies den Arbeitscharakter dieser Tätigkeiten.

Gerade deswegen ist Hausarbeit aber unerlässlich für den Fortbestand des kapitalistischen Systems, denn die besondere Qualität der Hausarbeit wird in ihrer Abwesenheit sichtbar. Ohne die Bereitstellung reproduzierter Arbeitskräfte, hätte der Kapitalismus ein großes Problem, das nur mit einem großen ökonomischen und gesellschaftlichen Aufwand zu handhaben wäre. Denn wenn die anfallende Hausarbeit, nicht nur mehr fast ausschließlich und unbezahlt von Frauen getragen werden würde, müsste man die anfallende Hausarbeit gesellschaftlich besser organisieren und aufteilen. Die Zeit, die man im Schnitt in Hausarbeit stecken müsste, würde steigen, und dies aufgrund der Begrenzung des Tages auf 24 Stunden würde folglich zugunsten der möglichen Arbeitszeit gehen. Zwar bestünde ebenso die Möglichkeit bestimmte Tätigkeiten durch professionelle Arbeit zu ersetzen, also primär bezahlt in Anspruch zu nehmen, dies würde aber weitaus höhere Durchschnittslöhne benötigen. In beiden Fällen wäre dies ein Stich in das Herz des Kapitalismus, nämlich in seinem Zwang Profit zu erwirtschaften. Der Kapitalismus profitiert ungemein davon reproduktive Tätigkeiten, die sich schlecht verwerten lassen und aus denen in weiterer Folge auch kaum Profit erwirtschaftet werden kann, in private und damit unbezahlte Bereiche zu schieben, und festigt diese durch Reproduktion und ideologischer Legitimierung, sei es in Form von rückschrittlichen Gedankengut (sowie zum Beispiel der Idealisierung der bürgerlichen Familie) oder sexistischen Gesetzen, die sich gegen Frauenbefreiung richten. Auch ist es kein Zufall, dass dort wo erkämpft wurde, dass reproduktive Tätigkeiten gesellschaftlich organisiert werden, also im Sozial- und Pflegebereiches, als Erstes bei Sparprogrammen abgebaut wird. Eine weitere direkte Folge neben der Überausbeutung von Sozial- und Pflegearbeiter*innen ist, dass abermals Hausfrauen mehrfach belastet werden, da die in diesen Bereichen eingesparte Mehrarbeit sich nicht von selbst erledigt und dann oftmals an ihnen hängenbleibt.

Der nächste bezeichnende Aspekt von Hausarbeit ist, dass sie größtenteils isoliert und individuell erledigt wird. Dies ist nicht nur eine ungeheure Verschwendung von Arbeitskraft, da viele Bereiche gesellschaftlich weitaus effizienter organisiert werden könnten, ebenso entsteht der Eindruck, dass die Probleme die mit Hausarbeit einhergehen individuelle sind, und nicht kollektive, die dementsprechend auch kollektiv gelöst werden müssen. Der Kapitalismus hat natürlich daran kein Interesse, da eine Vergesellschaftung der Hausarbeit, die kapitalistische Produktionsweise untergräbt. Schließlich profitiert der Kapitalismus auch von dem Individualkonsum der mit der aktuellen Ordnung einhergeht.

Bisweilen mag der Eindruck entstehen, dass Frauen primär in der Hausarbeit tätig sind, doch Frauen sind auch genauso beteiligt an Lohnarbeit. Hierbei verdienen Frauen aktuell in Österreich noch immer um 20,1% (EU-Schnitt 16,2%) weniger Gehalt für dieselbe Arbeit. Dies ist eine enorme Quelle für Profit, da der Kapitalismus quasi die Hälfte der Menschheit weniger entlohnen kann. Der gesellschaftliche Sexismus ist unheimlich praktisch um die Kämpfe der Arbeiter*innenklasse zu spalten, da eine geeinte Arbeiter*innenklasse, die die Ursache ihrer Ausbeutung erkennt, der Todfeind des Kapitalismus ist.

Nimmt man zur eben genannten ungleichen Entlohnung Teilzeitarbeit dazu, beträgt der Bruttoeinkommensunterschied sogar 38%. Ein wesentlicher Grund dafür, dass Frauen in Teilzeitverhältnissen überrepräsentiert sind, ist die Doppelbelastung, die für viele mit dem gesellschaftlichen Zwang der Hausarbeit einhergeht. Zusätzlich kommt dazu, dass Teilzeitarbeit gewerkschaftlich schlechter organisiert ist, dementsprechend auch schlechtere Arbeitsbedingungen herrschen, und Teilzeitkräfte auch leichter entlassen werden können. Ergebnis ist, dass Frauen damit nicht nur systematisch eine Doppelbelastung tragen müssen, sondern auch mit doppelter Unterdrückung (Arbeitsplatz und zu Hause) zu kämpfen haben.

Weiterhin haben Frauen noch immer weitaus schlechtere Aufstiegschancen, da hochqualifizierte Fachberufe weiters stark männlich geprägt sind bzw. Frauen zumeist in bestimmte Berufe gedrängt werden, wo sie aufgrund einer angeblichen Veranlagung besser passen würden., womit Frauen auch gleichzeitig implizit und teils explizit aus gewissen Teilen des Arbeitsmarktes ausgeschlossen werden. Das stärker weiblich geprägte Berufe (bspw. Assistenztätigkeiten, Sekretärinnen, pädagogische Berufe, Pflege- und Sozialarbeit, Service, Reinigung etc.) systematisch unterbezahlt werden, hängt aber auch damit zusammen, dass bestimmte Qualifikationen die jene Berufe voraussetzen als ungelernte angesehen werden. Tatsächlich ist es aber so, dass diese (genaue Handarbeiten, exaktes organisieren, freundliches Bedienen etc.) zu Hause Mädchen oft anerzogen werden, und damit sehr wohl gelernte Fähigkeiten sind. Doch auch in männlich geprägten Arbeitsbereichen, haben Frauen viel stärker mit Sexismus am Arbeitsplatz zu kämpfen (werden weniger ernst genommen, müssen sich sexistische Kommentare gefallen lassen etc.).

Die bisher genannten Unterdrückungsverhältnisse sind nur ein Ausschnitt, viele wichtige Themen wie Übersexualisierung, sexuelle Grenzüberschreitungen, Abtreibungsgesetze etc. sind bisher nicht zur Sprache gekommen. Doch anstatt alle Themen abzuarbeiten, soll im nächsten Teil auf die wohl zentralste Frage eingegangen werden, nämlich wie diese Verhältnisse überwunden werden können!


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