Brasilien: Offensive der Rechten gegen die Präsidentin

Brasilien, das größte Land Südamerikas, wird durch eine schwere politische Krise erschüttert. Gegen die Staatspräsidentin Dilma Rousseff aus der sogenannten ‚Arbeiterpartei‘ (PT)  soll ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet werden, das der rechten Elite des Landes den Weg zur Macht bahnen soll und die Arbeiter*innenklasse mit dem Verlust bedeutender sozialer Errungenschaften bedroht. Nach der Niederlage Kirchners in Argentinien und Maduros in Venezuela reiht sich nun Brasilien mit der Ablöse linkspopulistischer Regierungen durch neue rechte Bewegungen in Lateinamerika ein.

Mit mehr als zwei Drittel der Stimmen beschloss das brasilianische Abgeordnetenhaus am 17. April die Einleitung des Verfahrens. Wenn nun der Senat diese Entscheidung mit einer einfachen Mehrheit bestätigt, wird die Präsidentin für die 180 Tage des Verfahrens suspendiert. Die Stimmung im Land ist angespannt, die Meinungen polarisiert. Vor dem Kongressgebäude demonstrierten Feinde und Freund*innen der Präsidentin, sie mussten vorsorglich mit einem kilometerlangen Zaun voneinander getrennt werden.

Seit 2002 hält die Arbeiterpartei das Präsidentschaftsamt und damit die politische Macht im Land in ihren Händen. Sie wurde 1980, noch zu Zeiten der Militärdiktatur, als Zusammenschluss von Gewerkschaftsmitgliedern gegründet. Unter Präsident Lula da Silva wurden wichtige sozialpolitische Reformen und Projekte eingeleitet, zum Beispiel das Programm ‚Null Hunger‘, das Bedürftige mit Lebensmitteln und günstigen Volksküchen versorgt. Auf diese Weise hat sich die PT große Beliebtheit in der Arbeiter*innenklasse und in den ärmeren Schichten der Bevölkerung geschaffen. Sie hat aber auch die kapitalistische Ausbeutung weiterverwaltet, die Arbeiter*innen demobilisiert und über die Gewerkschaftsbürokratie niedergehalten und Sozialabbau betrieben. Mit dieser Politik hat sie die Rechten überhaupt in die Lage für eine politische Offensive gebracht.

Mit dem eingeleiteten Amtsenthebungsverfahren soll die Arbeiterpartei abgelöst und zahlreiche Errungenschaften der Arbeiter*innenklasse rückgängig gemacht werden. Dafür führen Medien und rechte Politiker*innen eine groß angelegte Kampagne. Die Opposition wirft der Präsidentin vor, die Budgetzahlen für ihren Wahlkampf geschönt und die Wirtschaft des Landes ruiniert zu haben. Dem ging ein milliardenschwerer Korruptionsskandal des halbstaatlichen Mineralölkonzerns Petrobras vor. Bauaufträge für das Unternehmen wurden überteuert ausgeführt, die Mehreinnahmen flossen an Mitarbeiter*innen, Politiker*innen und Parteikassen. In Bezug auf unterstellte Korruption konnte ihr bisher nichts nachgewiesen werden. Paradox ist auch, dass die Opposition ebenso – wenn nicht noch mehr als die Arbeiterpartei – mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert ist.

Viele linke Organisationen in Brasilien haben sich in diesem Partei- und Machtkonflikt auf eine neutrale Position zurückgezogen. Die Ablöse der PT durch die Rechten würde aber direkte Angriffe auf die Errungenschaften der Arbeiter*innenklasse bedeuten. Zwar darf man kein falsches Vertrauen in Rousseff haben, die Verankerung der Arbeiterpartei in der Arbeiter*innenklasse macht es aber zur Notwendigkeit eine Einheitsfront zur Verteidigung der Regierung gegen die Machtgelüste der Rechten einzugehen. Die Gewerkschaften und die Arbeiterpartei müssten dazu die Arbeiter*innenklasse zum Generalstreik mobilisieren. Dadurch könnte man die Klasse von der Verteidigung ihrer Errungenschaften in die Offensive führen. Mit sozialen Forderungen an die Regierung und Kritik an ihrer Politik kann die Arbeiter*innenklasse von einer revolutionär-sozialistischen Politik überzeugt werden. Das Ziel muss dabei sein, die Grundlagen für eine neue Arbeiter*innenpartei zu schaffen und die Arbeiter*innen mit eigenen Organisationen und Mobilisierungsorganen selbst zu ermächtigen, um sie so gut wie möglich der Überwindung des Kapitalismus näher zu bringen.