Bundespräsidentschaft: Haben wir eine Wahl?

Nach dem ersten Wahlgang der Bundespräsidentschaftswahlen steht jetzt am 22. Mai die Stichwahl an. Zur Wahl stehen jetzt nur mehr der ehemalige FPÖ-Nationalratspräsident und Parteiideologe Norbert Hofer und der ehemaligen Grünen Parteichef Alexander Van der Bellen. Den ersten Wahlgang gewann Hofer, der mit mehr als 35% fast fünfzehn Prozentpunkte vor dem zweitplatzierten Van der Bellen lag. Das Ergebnis kam für viele Menschen als Schock, auch die Umfragen lagen komplett daneben. Nach dem ersten Wahlgang ergab sich dann recht bald eine Diskussion, wen die anderen Kandidat*innen, beziehungsweise deren Parteien, in der Stichwahl unterstützen würden. SPÖ, ÖVP, Griss und Lugner haben bis jetzt keine offizielle Wahlunterstützung abgegeben und werden das vermutlich bis zur Stichwahl auch nicht tun. Aber auch in der Linken gibt es eine Diskussion darüber wie man sich in dieser Stichwahl verhalten soll, wir wollen hiermit einen Beitrag zu dieser Debatte liefern.

Viele Linke sind zurecht schockiert von dem hohen Wahlergebnis der Freiheitlichen, doch unerwartet war es auch nicht gerade – wenn auch nicht in diesem Ausmaß. Die große Koalition ist so unbeliebt wie seit Langem nicht (ihre Kandidaten bekamen zusammen gerade einmal 22,4%) und die SPÖ/ÖVP-Regierung versucht sich in der aktuellen Situation gerade an den Druck von Seiten der FPÖ in der Flüchtlingsfrage anzupassen. In der Regierung führt sie rassistische Maßnahmen durch und erhofft sich damit, die an die FPÖ verloren gegangenen Wähler*innen zurück zu holen, doch die Maßnahmen zeigten einen genau gegenteiligen Effekt. Die rassistischen Maßnahmen schreckten fortschrittliche Wähler*innen zu Recht ab und Menschen, die diese Maßnahmen gut fanden blieben dann doch noch lieber beim Original – der FPÖ.

Viele Linke sehen jetzt gerade angesichts der drohenden Katastrophe eine Unterstützung für Van der Bellen als einzigen Ausweg. Die linken Teile der SPÖ sind von ihrer Führung enttäuscht, dass sie sich nicht zu einer Unterstützung für Van der Bellen durchringen kann. Aber auch viele andere fortschrittliche Menschen werden wohl aus Angst vor einem FPÖ-Präsidenten Van der Bellen wählen. Wir halten das für eine schlechte Idee.

Van der Bellen wird von vielen als Teil des politischen Establishments gesehen und das stimmt auch. Er selbst hat laut eigenen Angaben „kein Problem mit weiteren Privatisierungen“ oder Studiengebühren, ist glühender Anhänger der neoliberalen EU und Fan des Freihandelsabkommens TTIP. Er ist nichts, womit wir als Linke identifiziert werden wollen. In den Grünen repräsentiert er den rechten, wirtschaftsliberalen Flügel (er selbst war auch lange Jahre Wirtschaftsprofessor) und auch wenn er in der Flüchtlingsfrage bessere Positionen vertritt als Norbert Hofer, vertritt er doch zum Beispiel die reaktionäre Trennung der Flüchtlinge in „legitime“ Flüchtlinge und sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“. Alles in allem hat Van der Bellen nicht viel mit dem Begriff links zu tun und ist höchstens das „kleinere Übel“, aber mit einer Unterstützung Van der Bellens würden wir uns nur selbst lähmen.

Das letzte Argument, das noch manchmal für Van der Bellen ins Spiel gebracht wird, ist, dass er in seinem Wahlkampf angekündigt hatte, dass er eine FPÖ-Regierung (unter gewissen Voraussetzungen) nicht angeloben würde. Einige Linke fanden das gut und erhofften sich damit eine FPÖ in der Regierung verhindern zu können. Wir sehen das aber anderes, denn unserer Meinung nach kann die FPÖ nicht effektiv von oben herab durch Gesetze oder einen Präsidenten bekämpft oder besiegt werden. Nur wenn es eine Bewegung gibt, die auch eine reale Alternative zu der aktuell herrschenden Politik glaubhaft vermitteln kann, wird der Aufstieg der FPÖ gestoppt werden. Da helfen keine verfassungsrechtlichen Tricks eines Bundespräsidenten Van der Bellen. Der Kampf gegen die FPÖ kann nur von unten geführt werden!