Statement zu Griechenland: Druck der Straße statt Komfort der Minister*innensessel

Statement von REVOLUTION

 

Die Parlamentswahlen in Griechenland am 25.1.2015 haben wie erwartet die linksreformistische SYRIZA an die Spitze der Mandatsverteilung gebracht. Die enormen Stimmengewinne von fast 10 Prozentpunkten auf 36,3 % und die Tatsache, dass 2,25 Millionen Menschen für die Partei unter Alexis Tsipras gestimmt haben sprechen für sich. Sie sind ein Ausdruck für die breite Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Sparkursregierung aus Nea Demokratia (Konservative) und PASOK (“Sozialdemokrat*innen“). Sie zeigen, welche Hoffnungen die griechischen Arbeiter*innen und Jugendlichen nach den Platzbesetzungen, den militanten Bewegungen und den 30 Generalstreiks der letzten vier Jahre in eine linke Alternative haben. Aber wie zu erwarten wendet sich das Programm von SYRIZA das klar reformistisch und nicht antikapitalistisch ist gegen ihre eigene Basis – und das bereits am ersten Tag der Wahl. Tsipras bot am Morgen des 26.1. der rechtspopulistischen und rassistisch durchsetzten ANEL (auf Deutsch „Unabhängige Griechen“) die Koalition an.

ANEL ist eine Abspaltung von der rechtskonservativen Nea Demokratia, die bis 2015 die Regierung innehatte und den brutalen Sparkurs verantworten muss. Populistisch richtet sich der neu gekürte Koalitionspartner gegen die massiven Einsparungen, garniert das jedoch mit nationalistischer, rassistischer und antisemitischer Rhetorik. Der Anführer der Partei, Panos Kammenos, rief vor der Wahl nach einem „nationalen Erwachen“ und beschuldigte eine „internationale Verschwörung“, sich gegen Griechenland zu richten.
Das Bündnis mit ANEL ist ein Verrat in zweierlei Hinsicht.

Erstens will der rechte Flügel in SYRIZA damit eine Partei an die Macht mitschleifen, die ihre soziale Basis nicht unter den Arbeiter*innen, Arbeitslosen und kleinen Bäuer*innen hat. Vielmehr richten sie sich an die Masse der Kleinbürger*innen und privilegierten Angestellten, die unter dem Druck der Austeritätspolitik den Abstieg fürchten. Die Politik von ANEL dient vor allem den großen griechischen Kapitalist*innen wie zum Beispiel den mächtigen Reeder*innen und Schifffahrtsverbänden. Auf diese Interessengruppe hatte SYRIZA bereits seit Monaten geschielt, als sie ihren reformistischen „Realismus“ vorstellten und betonten, nicht den Kapitalismus selbst angreifen zu wollen. Die Arbeiter*innen und Jugendlichen, erhoffen sich von einer Konfrontation mit der „Troika“ (aus Europäischer Zentralbank EZB, Europäischer Kommission und Internationalem Währungsfond IMF) eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen und haben deshalb SYRIZA gewählt und sich organisiert. Das Bündnis mit ANEL soll ihre Interessen mit denen der griechischen Kapitalist*innen unter einen Hut bringen, was in der Realität eine Unterordnung bedeutet. Gerade in dieser massiven Krise stehen sich Arbeiter*innen und Kapitalist*innen unversöhnlich gegenüber, ein „Kompromiss“ kann nur auf Kosten der ohnehin schon betroffenen Unterdrückten gehen.

Zweitens richtet sich die rechtspopulistische, nationalistische und antisemitische Rhetorik der ANEL direkt gegen die griechische Arbeiter*innenklasse, die aus Griech*innen, Migrant*innen, religiösen Minderheiten und vielen Flüchtlingen besteht. Der Nationalismus der ANEL dient dazu, griechische Kapitalist*innen und Arbeiter*innen scheinbar zu vereinen, aber die Unterdrückten anhand ihrer Herkunft oder Religion zu spalten. Dieses hetzerische Verwirrspiel nicht anzugreifen bedeutet für die SYRIZA-Führung, die Einheit der Klasse bürokratischen Überlegungen zu opfern.

Die griechische Kommunistische Partei (KKE) kam hinter der liberalen „To Potami“- Bewegung auf den 5. Platz (5,5%) und hat nun 15 Sitze im griechischen Parlament. In der Vergangenheit zeichnete sie sich vor allem durch eine sehr sektiererische Politik gegenüber den anderen Organisationen der Arbeiter*innenbewegung aus und auch schon vor den Wahlen schloss sie eine Zusammenarbeit mit SYRIZA auf Regierungsebene aus. Diese Politik ist katastrophal, weil sie auf der einen Seite die Kampfkraft der Arbeiter*innenklasse spaltet und andererseits wäre es durch den Einfluss der KKE durchaus möglich SYRIZA ein Stückchen nach links zu treiben sowie einem Bündnis auf politischer Ebene auch ein Bündnis auf der Straße folgen zu lassen.

Tatsächlich hätte auch eine absolute Mehrheit von SYRIZA nicht automatisch langfristig fortschrittliche Politik bedeutet. Nachdem die Jugendaufstände 2010-2012 ebenso wenig Erfolge gebracht hatten wie die Generalstreiks hatte sich die Hoffnung der ausgebeuteten und unterdrückten griechischen Arbeiter*innen und Jugendlichen auf die Wahlen konzentriert. Die Bedeutung von Kämpfen auf der Straße, sozialen Bewegungen und Streiks wurde immer geringer. Diesen fehlenden Druck nutzte die SYRIZA-Führung um ihr radikales Programm gegen Einsparungen und EU-Diktat immer weiter abzuschwächen. Der rechtere Koalitionspartner ist auch eine willkommene Ausrede, warum die sozialen Forderungen des „Sofortprogramms“ von 2014 (wie kostenlose Elektrizität und Krankenversorgung oder Lohnerhöhungen) nicht umgesetzt werden können.

Trotzdem ist der Wahlsieg von SYRIZA ein großer Erfolg für Antikapitalist*innen und fortschrittlichen Aktivist*innen in Europa. Wenn er auch keine Garantie für ein Ende der Sparpolitk auf Kosten der Arbeiter*innen bedeutet so zeigt der Erdrutsch an SYRIZA-Stimmen doch, dass es in Europa organisierte Massen gibt, die sich bewusst auf Konfrontationskurs mit der Herrschaft der Reichen und Mächtigen begeben. Für Revolutionär*innen ist es jetzt wichtig, die Kritik an SYRIZA nicht mit Entsolidarisierung und Enttäuschung zu garnieren. Vielmehr muss jedes fortschrittliche Vorhaben von SYRIZA verteidigt werden und in den europäischen Zentren und auch Europa Druck gegen imperialistische Maßnahmen gegen die Regierung ausgeübt werden. Denn die Spitzen der EU-Krisenverwalter*innen und Sparprogrammdiktierenden werden sich die „Kriegserklärung“ der griechischen Arbeiter*innen nicht gefallen lassen. Mit Zuckerbrot und Peitsche werden sie versuchen, SYRIZA auf einen „vernünftigen“ Kurs als Masseverwalterin des Kapitalismus zu ziehen. Jede Sanktion, jede Handelsbarriere und jede Drohung muss von uns Arbeiter*innen und Jugendlichen in den imperialistischen Ländern beantwortet werden: Hände weg von Griechenland! Wir stehen mit unseren Kolleg*innen Schulter an Schulter, egal wo sie geboren sind, egal wo sie wählen dürfen!

Auch in Griechenland braucht es jetzt den massiven Druck auf den Straßen, Streiks gegen die Kapitalist_innen wenn sie fortschrittliche Maßnahmen angreifen, Demonstrationen gegen die Regierung, wenn sie sich nicht nach links bewegt. Die Forderungen nach einem Mindestlohn, der ein gutes Leben ermöglicht, der Aufteilung der Arbeit auf alle Hände, das Nicht-Bezahlen der Schulden und die Zurücknahme aller Einsparungen könnten ein Anfang für diese Bewegung sein, ebenso wie Forderungen nach freier Bildung, Frauenbefreiung und antirassistischen Maßnahmen für Flüchtlinge die Massen mobilisieren können. Wir würden den besten Weg in einer SYRIZA Minderheitsregierung, gestützt auf die Mobilisierung der Massen durch Demonstrationen und Streiks, sehen. Das würde auf der einen Seite SYRIZA die Möglichkeit nehmen sich in ihrer links-reformistischen Politik auf ihren Koalitionspartner auszureden und andererseits den Klassenkampf und die Selbstorganisierung der Massen vorantreiben, die im entscheidenden Moment auch von links gegen etwaige faule Kompromisse mobilisieren könnte.