Frauen und LGBT+ Personen in der Krise und dem Rechtsruck

Seit der letzten Finanzkrise im Jahr 2008, und spätestens seit dem Höhepunkt der „Flüchtlingskrise“ 2015, können wir weltweit ein Erstarken der politischen Rechten beobachten. In den vergangenen Jahren gelang es einigen rechtspopulistischen Parteien an Einfluss zu gewinnen und manchen sogar, eine Regierung zu stellen. Das beobachten wir nicht nur in Europa mit der FPÖ in Österreich, der deutschen AfD oder dem Rassemblement National in Frankreich, sondern auch international. So sitzen zum Beispiel Bolsonaro in Brasilien, Modi in Indien, Trump in den USA oder Putin in Russland an der Macht, um nur einige Beispiele zu nennen. Sie alle verfolgen einen rechtspopulistischen Kurs, der sich gegen das politische Establishment richtet, gegen Minderheiten vorgeht und durch Angst und Hass die Gesellschaft spaltet.

In der Regel bekommen marginalisierte Gesellschaftsgruppen die Konsequenzen solch einer Politik als erstes zu spüren und sind meist auch am härtesten betroffen. Besonders jetzt, wo wir laut Prognosen wieder vor einer Finanzkrise stehen könnten, können wir nicht mit einer Verbesserung der Umstände rechnen. Im Gegenteil, soziale Spannungen werden sich weiter zuspitzen. Dieser Artikel behandelt speziell die systematische Gewalt gegen Frauen und die LGBT+ Community, Gewalt gegen Individuen sowie Angriffe auf ihre Rechte.

Wir können die ersten Tendenzen des internationalen Rechtsrucks auf die Zeit der Finanzkrise 2008/09 zurückführen. Dieser Rechtsruck bringt eine Verschlechterung der Lage der Frauen und LGBT+ Personen mit sich. Seit nun schon mehr als 10 Jahren können wir einen steigenden Konkurrenzdruck zwischen imperialistischen Ländern und die zunehmende Konzentration und Zentralisation des Kapitals sehen. Dies äußert sich beispielsweise in kriegerischen Auseinandersetzungen, wie etwa in Syrien, der Ukraine oder im Iran, wo die gegenwärtig angespannte Situation schnell in einen Krieg ausarten kann.

Um die nationale Abschottung und die neoliberale Ausbeutung ideologisch zu legitimieren wird oftmals rassistische, populistische Hetze angewandt. Mit der zunehmenden Fokussierung auf den Nationalstaat geht auch ein Wiederaufleben der Werte der bürgerlichen Familie einher. Die Familie dient im Kapitalismus vor allem als Ort der Reproduktion und ist daher essentiell für Kapitalist*innen, da ein Großteil der unbezahlten Arbeit dort stattfindet. Diese Arbeit, d.h. Hausarbeit und Kindererziehung, wird immer noch weitgehend von Frauen getragen, was neben der Lohnarbeit eine Doppelbelastung darstellt. Mit dem Erstarken der Rechte geht auch ein Abbau des Sozialstaats einher. Die dadurch zusätzlich anfallende Arbeit wie Altenpflege oder Pflege von kranken Familienmitgliedern wird in den meisten Fällen ebenfalls von Frauen übernommen. Mithilfe von, in rechten und konservativen Ideologien weit verbreiteten, Stereotypen, wird diese geschlechtsspezifische Arbeitsteilung zusätzlich legitimiert und aufrechterhalten.

Das Erstarken der Geschlechterklischees führt zu Angriffen auf all jene, die den gängigen Vorstellungen und traditionellen Rollen nicht entsprechen: Gegen Frauen, wenn sie mehr als nur untergeordnete (Haus-)Frauen und Mütter sein wollen, gegen LGB+ Personen, weil sie die Erwartungen der traditionellen Kernfamilie nicht erfüllen oder gegen Trans-Personen, weil sie in dieser Rollenverteilung von Grund auf nicht vorgesehen sind. Dies manifestiert sich beispielsweise in den Debatten bezüglich der Selbstbestimmung über den eigenen Körper der Frau. So konnten wir in den letzten Jahren immer häufiger beobachten, wie rechtspopulistische Parteien versuchen, das Recht auf Abtreibung einzuschränken. Bis jetzt konnten die wenigsten dieser Gesetze in Kraft treten, jedoch nur durch ständige Anstrengungen von Aktivist*innen und teils landesweiten Protesten, wie sie beispielsweise in Polen stattfanden. Damit ist die Gefahr jedoch nicht abgewandt, denn es bestehen weiterhin Bemühungen aus den konservativen und rechten Lagern, die Rechte auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper einzuschränken. In den USA etwa schlossen seit 2012 166 unabhängige Abtreibungskliniken, das sind 32%, Großteils durch Beschlüsse der Gesundheitsämter in den jeweiligen Bundesstaaten.

Der Druck und die Angriffe auf Frauen und LGBTQ+-Personen nimmt seit einigen Jahren erneut zu. So können wir in Österreich in den letzten Jahren zum Beispiel einen enormen Anstieg an sexualisierter Gewalt gegen Frauen beobachten. Diese äußert sich auf verschiedenste Weise, etwa in Form von sexueller Belästigung, Stalking, sexueller und/oder körperlicher Gewalt und gipfelt in Femiziden – Morden an Frauen, bei denen die Täter ein familiäres oder Beziehungsverhältnis zu der Betroffenen hatten. So hat sich die Femizidrate, in Österreich seit 2014, mit 19 Opfern, bis 2018 mit 41, mehr als verdoppelt. Das sind etwa 3 Frauenmorde pro Monat in Österreich. Statt betroffenen Frauen mehr Schutz zu bieten, nutzte die Schwarz-Blaue Regierung dies um ihre rassistische Propaganda gegen Geflohene weiter zu befeuern. Die Rede ist dann natürlich auch nur von „unseren“, also weißen, österreichischen Frauen. Kritik an patriarchalen Verhältnissen sucht man vergebens. Stattdessen wurden unter Schwarz-Blau Förderungen für Frauenhäuser und dergleichen teils komplett gestrichen. Die neue Schwarz-Grüne Regierung lässt auch nicht auf große Verbesserungen hoffen, zumal es schon wieder kein Frauenministerium gibt und überhaupt dem Thema im Regierungsprogramm kaum Wichtigkeit zugeschrieben wird.

Unterdessen ist die Lage für die meisten Frauen in halbkolonialen Ländern nochmals wesentlich schlimmer, da Frauen aufgrund der ökonomischen Lage der Länder in unsichere, schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse getrieben werden, oder die finanzielle Abhängigkeit von ihrer Familie wesentlich stärker ausgeprägt ist, als in sogenannten industrialisierten Ländern. So ist in Lateinamerika die Femizidrate nochmals höher als in Europa. In Argentinien beispielsweise zählte die feministische Organisation “Mumalá” im letzten Jahr bis zum 31.Oktober 226 Femizide. Das bedeutet, dass in Argentinien im vergangenen Jahr durchschnittlich alle 32 Stunden eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner umgebracht wurde. Die Zahlen für den gesamten Lateinamerikanischen Kontinent und der Karibik zusammen lagen 2018 insgesamt bei 3.287 Femiziden, wobei man davon ausgehen kann, dass die Dunkelziffer wesentlich höher ist.

Die Morde an Frauen sind die höchste Äußerung der Gewalt an Frauen, hier ist aber nicht zu vergessen, dass viele von ihnen schon zuvor von häuslicher Gewalt betroffen waren. Auch homophobe und transfeindliche Angriffe auf LGBT+-Personen sind weit verbreitet. Die gesetzliche Gleichstellung für LGB+ Personen, in den wenigsten Fällen auch für Trans-Personen, ist in einigen Ländern zwar auf Papier gesichert, die gesellschaftliche Realität sieht jedoch meist anders aus. Durch das Erstarken neuer rechter und konservative Bewegungen sind Gegenstimmen und offener Hass wieder merklich lauter und salonfähiger geworden, was zu einem Anstieg an physischer, psychischer und systematischer Gewalt führt.

Wohl das verheerendste Beispiel für LGBT+-feindliche Angriffe ist jener auf den Nachtclub Pulse (Ohio, Florida) am 12. Juni 2016. Der Anschlag auf den Club stellte zu dem Zeitpunkt, mit 49 Toten und 53 Verletzten die tödlichste Massenschießerei in der US-Amerikanischen Geschichte dar. Obwohl 2015 in den USA die gleichgeschlechtliche Ehe in allen 50 Bundesstaaten legalisiert wurde, traten in den folgenden Jahren unter Präsident Trump unterschiedliche diskriminierende Gesetze in Kraft. Darunter solche, die LGBTQ+ Personen den Zugang zu notwendigen medizinischen Ressourcen vorenthalten, sie von Wohnmöglichkeiten und Arbeitsplätzen ausschließen und es erlauben, LGBTQ+-Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Geschlechts Dienstleistungen zu verweigern – Viele dieser Gesetze beziehen sich dabei speziell gegen Trans-Personen, zum Beispiel solche, die Trans-Personen zwingen, Toiletten oder Umkleidekabinen zu nutzen, die ihrem zugeschriebenen Geschlecht entsprechen anstatt ihrem eigenen.

Zusätzlich ist die Mordrate an Trans-Personen überproportional hoch. Verschiedene Quellen geben die Zahlen der in den USA erfassten ermordeten trans-Personen in den Jahren 2017 als 29, 2018 als 26 und 2019 als 25 an. Ein Großteil der Mordopfer waren Trans-Women of Colour, insbesondere Schwarze Trans-Frauen. Die Mordrate in den USA an Schwarzen Trans-Frauen ist damit 7-mal höher als an anderen Frauen. Weltweit lag die Zahl der erfassten Morde an Trans-Personen im Jahr 2018 bei 369, 2019 bei 331. Die USA steht dabei an der Spitze. Dabei sollte jedoch nochmals angemerkt werden, dass es sich bei diesen Zahlen um erfasste und rechtswidrige Morde handelt. Morde in Ländern, in denen die rechtliche und soziale Lage für LGBTQ+ Personen unsicherer ist, scheinen unter Umständen gar nicht in diesen Statistiken auf. Überdies ist es in 73 Ländern weiterhin illegal, schwul, lesbisch, bi, queer oder trans zu sein und 12 dieser Länder verhängen dafür die Todesstrafe.

Zudem kommen die immer noch anhaltenden Lohnunterschiede bei gleicher Arbeit, dass Frauen weltweit häufiger von Arbeitslosigkeit bedroht sind und die stärkere Diskriminierung von migrantischen Frauen und LGBT+ Personen. Auch nicht zu vergessen ist die missliche Lage aller Frauen und LGBT+ Personen, die unter unmenschlichen Bedingungen in unsicheren Flüchtlingsunterkünften leben müssen.

Um die Lage der betroffenen Personen zu verbessern und vor allem in der kommenden Krise nicht zu verschlechtern, muss diese systematische Diskriminierung kollektiv bekämpft werden.

Wir fordern daher:

  • Gesetzliche Gleichstellung für Alle, in allen Ländern und die Abschaffung von allen diskriminierenden Gesetzen, denn davon sind Frauen und LGBT+ Personen besonders hart getroffen.
  • Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit! Mindestlohn für Alle um ein Mindesteinkommen zu sichern und so die anfallenden Kosten der Reproduktionsarbeiten zu decken und somit eine Unabhängigkeit vom Partner gewährleisten zu können. Die Höhe muss von der Arbeiter*innenbewegung festgelegt werden und der Erhöhung der Lebenserhaltungskosten angeglichen werden.
  • Kostenloser Zugang zu Gesundheitsversorgung, Pflegeeinrichtungen und Krankenvorsorge. Kostenlose Geschlechtsangleichung, Verhütungsmittel und Abtreibung.
  • Gesicherte Renten für alle sowie eine kostenlose und bedarfsorientierte Kinderbetreuung; öffentliche Wäschereien und Kantinen um die Reproduktionsarbeit auf alle Geschlechter zu verteilen.
  • Ehe für Alle und ein Recht auf Scheidung auf Wunsch. Den Ausbau und die Sicherstellung von Schutzräumen für Frauen und LGBT+ Personen.
  • Kostenlose und kollektive Selbstverteidigungsstrukturen für Frauen und LGBT+ Personen um sich vor An- und Übergriffen zu schützen.
  • Um die politische Teilnahme zu ermöglichen treten wir auch für eine vollständige Vergesellschaftung von sämtlicher Haushalts-, Pflege-, und Reproduktionsarbeit ein.

Siehe auch