Können Sozialist*innen in der SPÖ bleiben?

Offener Brief an Aktivist*innen der SJ und VSStÖ

Liebe Aktivist*innen!

Die SPÖVP-Regierung und ihr Programm ist die vollständige Fortführung der neoliberalen Wende. Dies zeigt deutlicher als je zuvor, dass die SPÖ keine Partei der Arbeiter*innen und Jugendlichen ist. Diese Partei dient nicht uns, sondern dem Kapital. Viele von Euch waren in den „Jänner-Tagen“ rund um die Regierungsangelobung auf der Straße und haben – so wie auch wir und viele andere Aktivist*innen – gegen die Gusenbauer-Führung protestiert. Leider wurden die Proteste nicht auf gemeinsame Demonstrationen und Streiks von Student*innen, Schüler*innen und Arbeiter*innen ausgeweitet und blieben daher erfolglos. Für alle von uns stellt sich jetzt die Frage: Wie weiter?

Von links-sozialdemokratischer Seite lautet die Antwort, es gelte nun einen linken Flügel in der SPÖ aufzubauen. Wir von REVOLUTION glauben, dass diese Antwort in die Sackgasse führt. Die SPÖ ist nicht mehr zu retten. Wir brauchen eine Jugendbewegung und eine neue Partei LINKS von der SPÖ! Neoliberalisierung der SPÖ. Oft heißt es, dass Gusenbauer und die engste Parteispitze um ihn die Partei verraten und verkauft hat. Das ist natürlich richtig. Aber die Frage stellt sich: Wie konnte es dazu kommen? Sind Gusenbauer und seine Kumpanen einfach nur dumm, schlechte Verhandlungsleiter*innen oder Charakterschweine? Unserer Meinung nach greifen diese Antworten viel zu kurz. Die SPÖ-Führung hat sich nicht über den Tisch ziehen lassen. Sie hat – vielleicht auf ungeschickte Art und Weise – nur ihre Politik umgesetzt. In Wirklichkeit vertritt die Parteibürokratie eine kapitalistische, neoliberale Politik. Auch Gusenbauers Vorgänger – Vranitzky und Klima – haben über viele Jahre hinweg gemeinsam mit der ÖVP eine Politik des Sozialabbaus und der Privatisierung betrieben. Dies entspricht dem europaweiten Trend der Sozialdemokratie, die überall die Politik der imperialistischen herrschenden Klasse umsetzt (Blair, Schröder usw.). Gusenbauer und die SPÖ sind hier leider keine Ausnahme, sondern Teil einer internationalen Entwicklung der Neoliberalisierung der Sozialdemokratie. Viele Funktionäre in der Partei bis in die höchsten Ebenen kritisieren ebenfalls das Ergebnis der Regierungsverhandlungen. Ihre Hauptkritik ist jedoch nicht der Inhalt des Regierungsprogramms, sondern die relative geringe Ausbeute für die SPÖ bei der Verteilung der Ministerien und damit der zu vergebenden zukünftigen Posten. (z.B. Voves, Haider) Eine solche Kritik hat absolut nicht mit sozialistischen Verteidigung der Interessen der Lohnabhängigen und Jugendlichen zu tun. Hier geht es nur um die Verteidigung der Interessen von Teilen der Parteibürokratie.

Welche Lehren müssen wir ziehen?

Es ist jetzt höchste Zeit für eine ehrliche Aufarbeitung der politischen Arbeit in der jüngeren Vergangenheit. Noch von wenigen Monaten betrieb die SJ Wahlkampf für die SPÖ mit dem Slogan „Ich wähl mein Leben zurück“. Jugendlichen wurde vorgemacht, dass die SPÖ eine fortschrittliche Partei sei, die ihnen wieder ein besseres Leben ermöglichen würde. Und noch immer heißt es auf den SJ-Homepages, dass die SPÖ die Partei der Arbeitenden und Jugendlichen sei. Wir können nicht aus Gusenbauers neoliberaler Geiselhaft rauskommen, wenn wir uns weiter selber belügen! Ja, viele Arbeiter*innen und junge Menschen haben die SPÖ gewählt. Aber sie haben keinen Einfluss, wenn es darum geht, die Politik und die Entscheidungen der Partei zu bestimmen. Für die Bürokraten sind sie nur Stimmvieh und Fußsoldaten! Diese Bürokraten sind in erster Linie an ihren Posten, ihren Privilegien und ihrer Karriere interessiert. Deswegen sind sie auf das engste mit dem Kapitalismus verbunden. Sie haben keine „falsche Meinung“, sondern haben eine Meinung, die ihre Interessen als Bürokraten widerspiegelt. Sie sind Diener des Kapitals und können gar nicht anders als die Interessen von uns Jugendlichen und Lohnabhängigen betrügen und verkaufen. Immer mehr Arbeiter*innen und Jugendliche erkennen die Kluft zwischen ihrer Welt und der Welt der Bürokraten und kehren der Sozialdemokratie den Rücken zu. Warum sonst hat die SPÖ heute nur noch die Hälfte der Parteimitglieder von 1990?!

Für eine unabhängige SJ und VSStÖ!

Auf der Homepage www.wirsindspoe.at heißt es: „Wir sagen: Austritt ist keine Lösung! Wir dürfen uns unsere Partei nicht wegnehmen lassen!“ Nein, die Partei wird uns nicht weggenommen, den sie gehört den dem Kapital ergebenen Bürokraten, die uns nur benützen wollen als linkes Feigenblatt und als Fußsoldaten für den Wahlkampf. Es ist Zeit für einen Neubeginn! Die SPÖ ist nicht unsere Partei. In ganz Europa lösen sich kämpferische Kräfte weg von der Sozialdemokratie (in Italien spaltete sich die Rifundazione von der DS ab; in Deutschland die WASG von der SPD, in England lösten sich die kämpferischsten Gewerkschaften – die der Eisenbahner und die der Feuerwehrleute – von der Labour Party). Auch in Österreich wenden sich jetzt viele von der SPÖ ab. Jetzt geht es nicht darum, diese weiter vor den Wagen von Gusenbauers Partei zu spannen. Jetzt geht es darum, dass die Sozialistische Jugend und der VSStÖ sich von der Parteibürokratie befreit!

Genoss*innen der SJ und des VSStÖ! Machen wir nicht mehr mit bei den Manövern der bürgerlichen Politik. In der letzten Zeit sprachen die Medien oft davon, wie sehr die SJ und der VSStÖ als Karrieresprungbrett in Spitzenpositionen der Partei dient. Davon profitieren einige Funktionäre, aber nicht die Basis. Für Sozialist*innen ist kein Platz in der SPÖ! Was wir jetzt brauchen, ist eine Jugendorganisation, die sich vollkommen unabhängig von der SPÖ erklärt! Natürlich wird das zu finanziellen Einbußen führen. Aber dafür könnte dann SJ und VSStÖ unabhängig die Interessen der Jugendlichen vertreten, indem sie den Kampf gegen die SPÖVP-Regierung auf der Straße aufnehmen. In diesem Sinne sollte nun ein Diskussionsprozess innerhalb der Organisationen beginnen. Das ist unsere Meinung dazu und wir würden gerne mit euch in diesem Sinne diskutieren und zusammenarbeiten.