Solidarität mit Black Lives Matter und dem Kampf gegen rassistische Polizeigewalt!

Die USA erleben zurzeit eine enorme Welle an Protesten und Riots, die so weit gehen, dass selbst offen über einen inländischen Militäreinsatz gesprochen wird. Doch wie hat das alles begonnen? Am 25. Mai wurde George Floyd von der Polizei festgenommen, nachdem er verdächtigt wurde mit einer gefälschten 20$-Note bezahlt zu haben. Aus zahlreichen Aufnahmen umliegender Überwachungskameras geht aber deutlich hervor, dass die Festnahme widerstandslos ablief. Nichtsdestotrotz sah Derek Chauvin, amtsbekannter Polizist, der immer wieder durch rassistische Polizeigewalt auffiel, sich veranlasst 8 Minuten und 46 Sekunden auf den Nacken von Floyd zu knien. Die anderen Polizist*innen schirmten aber nicht nur ab, sondern unterstützten Chauvin aktiv bei diesem brutalen Vorgehen. Auch nachdem Floyd mit den Worten „I can‘t breathe“ flehte, von ihm herunter zu steigen. Selbst nachdem er komplett regungslos verstummte, ließ Chauvin nicht ab von ihm sondern erst nach Ankunft des Krankenwagens. Die Sanitäter*innen stellten bald darauf den Tod von George Floyd fest. George Floyd wurde kaltblütig ermordet von der Polizei. Dass es hierbei auch nicht um die lächerlichen 20$ geht ist klar, er wurde umgebracht, weil er Schwarz ist. Die Videoaufnahmen, die den ganzen Akt filmten lösten daraufhin landesweite Proteste aus.

Systematische Polizeigewalt

Dieser Vorfall reiht sich in eine lange Tradition systematischer Polizeigewalt gegenüber Schwarzen ein. Die Wahrscheinlichkeit von der Polizei kontrolliert, schikaniert oder brutal attackiert zu werden ist bei schwarzen Personen um ein Vielfaches höher, die Wahrscheinlichkeit bei einem Polizeieinsatz ermordet zu werden, sogar um etwa das Dreifache(!) so hoch als bei Weißen. Dieser abscheuliche Rassismus ist vor allem in den USA historisch tief verankert.

Die Bürgerrechtsbewegung ausgehend von den 1950er und 1960er Jahren haben zwar eine rechtliche Gleichstellung erwirkt, jedoch hat sich an den realen Umständen wenig geändert. Afroamerikaner*innen zählen noch immer zu den sozial schwächsten, am meisten ausgebeuteten und rassistisch unterdrücktesten Gruppen in den USA. Allem voran beim Thema Polizeigewalt spiegelt sich dieses Verhältnis auf erschreckend klare Weise wider. Das vielfach angebrachte „Argument“, dass es sich dabei um Einzelfälle handelt, ist beim Anblick der langen Liste an Namen, die durch die Polizei ermordet wurden, und den Statistiken zu Racial Profiling und Co. nichts mehr als rassistische Realitätsverweigerung.

Namen der schwarzen Personen, die in den letzten Jahren systematisch durch die Polizei ermordet wurden. Bildquelle: LA Johnson/NPR

Genauso offensichtlich wie die Polizei systematisch Schwarze verfolgt und teils ermordet, wird die Polizei auch systematisch vom bürgerlichen System vor jeglicher Verantwortung geschützt. Im letzten Jahr wurden in den USA über 1000 Menschen bei Polizeieinsätzen umgebracht – das sind im Schnitt 3 Todesfälle pro Tag und wenig überraschend sind schwarze Personen dabei unter den Opfern deutlich überrepräsentiert. Doch trotz dieser (auch international) extrem hohen Mordrate der Polizei, enden 99% (!) der Fälle, laut Daten von Mapping Police Violence, ohne jegliche rechtliche Konsequenzen. Die rechtlichen Hürden eine*n Polizist*in im Einsatz vor Gericht zu bringen sind äußerst hoch, sie genießen eine deutlich höhere rechtliche Immunität. Ebenso decken sich Polizist*innen im Einsatz und danach gegenseitig und es ist nicht sonderlich verwunderlich, dass nahezu allen internen Untersuchungen ergeben, dass die Polizei sich nichts zu Schulden hat kommen lassen. Wenn überhaupt, werden sie in eine andere Abteilung versetzt, oder wenn es hart auf hart kommt für paar Wochen suspendiert. Viel eher ist es so, dass Polizist*innen, die diese Praxis nicht unterstützen, als Kollegenschwein abgestempelt werden und zu niederen Diensten strafversetzt werden. Selbst wenn sie aber vor Gericht landen, werden Aussagen von der Polizei deutlich mehr Vertrauen geschenkt, weil sie das „bürgerlich rechtmäßige“ exekutierende Organ des Staates darstellen. Selbst bei klaren Morden wird meist mit staatlichen Gutachten versucht zu beweisen, dass die Polizist*innen aus Angst handelten, oder der Tod eher aus Vorerkrankungen und dergleichen resultierte. Gerade Angst ist ein persönliches Gefühl, das gut und gerne als Ausrede genutzt wird, vor allem weil man vor Gericht schwer das Gegenteil beweisen kann. Wo war aber bspw. diese Angst, als militante Rechte (in ihrer überwältigenden Mehrheit weißer Hautfarbe) in mehreren US-Bundesstaaten teils schwer bewaffnet gegen Corona-Maßnahmen protestierten? Es ist nicht Angst, sondern purer Rassismus! Während in der öffentlichen Debatte also Polizist*innen, die ausgerüstet, bewaffnet und speziell ausgebildet sind, ruhig aus Angst mal Betroffene brutal zusammenschlagen oder gar töten können, wird aber von den Betroffenen natürlicherweise erwartet immer ruhig zu bleiben, selbst wenn wild mit Waffen vor ihren Gesichtern herumgefuchtelt wird.

Aufgrund der anhaltenden Proteste und Ausschreitungen wurde Chauvin zwar vergleichsweise schnell angeklagt, aber auch bei diesem Fall versucht der offizielle Autopsie-Bericht wiederum die Aufmerksamkeit auf die Vorerkrankungen zu lenken. Unter dem weiter anhalten massiven Druck der Proteste wurden zumindest nun auch die anderen Polizist*innen die am Mord beteiligt waren, wegen Mittäter*innenschaft angeklagt. Was bei dem Gerichtsprozess heraus kommen wird steht natürlich nochmal auf einem anderen Blatt.

Good Cops, Bad Cops?

Immer wieder werden gerade Bilder geteilt wo nun auch Polizist*innen sich mit den Protesten solidarisieren. Diese Solidarität ist aber nichts wert, wenn landesweit Kolleg*innen gerade die Proteste brutal unterdrücken und niederschlagen. Es ist nichts mehr als Versuch sich rein zu waschen bzw. die Proteste zu beschwichtigen. Ebenso gibt es mittlerweile viele Aufnahmen, dass dieselben Polizist*innen, die für die Kamera posiert haben, wenige Zeit später ruhigen Gewissen auf die Protestierenden einschlugen. Die Rede von „Good Cops, Bad Cops“ ist angesichts der Systematik von Polizeigewalt nicht nur sinnlos, sie lenkt bewusst von den tatsächlichen, systematischen Problemen ab. Und wo waren eigentlich die ganzen „Good Cops“ in den letzten Jahren, wo immer wieder Unschuldige durch Polizist*innen ermordet wurden? Wieso haben sie nicht die Verbrechen innerhalb der Polizei genauso zielstrebig verfolgt? Sicherlich ist nicht jede*r in der Polizei beinhart rassistisch, trotzdem muss man, wenn man ernsthaft die Proteste unterstützen will, den Dienst quittieren und sich jetzt auf die richtige Seite der Proteste stellen. Alles andere ist substanzloses Gerede. Ein paar respektable Einzelfälle sind diesen Weg auch schon gegangen.

Black Lives Matter

Seit dem Vorfall finden landesweite Proteste und Ausschreitungen statt. Die Black Lives Matter Bewegung ist aber keine neue, schon seit dem Mord an Eric Garner 2014 wurden unter diesem Slogan zahlreiche Proteste und Aktionen organisiert. Die Bewegung ist aber durchaus sehr heterogen – politische Richtung, Methoden und Aktionsformen der Aktivist*innen, Organisationen etc. unterscheiden sich teils sehr stark – gemeinsam haben sie nur, dass sie rassistische Polizeigewalt verurteilen. Während Rechte und Konservative die Bewegung von Anfang an ablehnten und kriminalisierten, kommt auch aus kleinbürgerlichen Ecken oft der Konter „all lives matter“. In den allermeisten Fällen steht der jämmerliche Versuch einer entweder moralischen Selbstinszenierung, oder ein klassisches Ablenken von den akuten, konkreten Problemen dahinter. Dieser Konter kommt zumeist aus sozial besser gestellten, bürgerlichen überwiegend „weißen“ Schichten, die allein schon ihrer Hautfarbe wegen, deutliche Vorteile genießen. Ihre Leben sind eben nicht bei jeder Polizeikontrolle in Gefahr, wie die Erfahrungen und Zahlen der letzten Jahre leider mehr als deutlich belegen. Eine weitere beliebte Taktik, die eher aus rechteren Kreisen kommt, ist es der Versuch den Spieß umzudrehen und von „Rassismus gegen Weiße“ zu sprechen. Um es klar und deutlich zu sagen: Rassismus gegen Weiße gibt es in den USA nicht, genauso wenig gibt es hier Rassismus gegen Österreicher*innen oder Deutsche! Rassismus ist ein historisch tief verwurzeltes gesellschaftliches Verhältnis von systematischer Unterdrückung. Das trifft einfach nicht auf Weiße zu. Zudem sind Weiße in öffentlichen Raumen überall repräsentiert und werden als Norm behandelt. Sie müssen nicht damit kämpfen überhaupt erst öffentlich wahrgenommen zu werden. Sie müssen nicht um es nochmal zu unterstreichen beim Anblick der Polizei jedes Mal um ihr Leben bangen, oder befürchten systematisch benachteiligt zu werden in Schulen, Unis, bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, sie müssen nicht tagtäglich mit Beleidigungen und herabwürdigendem Verhalten kämpfen (und nein, dummes Weißbrot, Kartoffel, Alman, Ösi und sonstiges sind nicht dasselbe!). Einzelne allerhöchstens mal individuell-diskriminierende Erfahrungen von Weißen damit zu vergleichen ist nicht nur ignorant und verharmlosend, sondern einfach rassistisches Geschwätz!

Daraus ist aber nicht quasi identitätspolitisch zu resultieren, dass der Kampf gegen rassistische Systeme nur von den Betroffenen bzw. den jeweiligen Identitätsgruppen geführt werden kann oder dass diese die einzigen sind, die sich zu dieser Unterdrückung äußern können oder sollten. Dies würde die Bewegung in viele Einzelteile spalten und damit grundlegend schwächen. Wir brauchen eine große solidarische, organisierte und militante Massenbewegung, die dieses rassistische System angreift und das Problem gemeinsam an der Wurzel packt.

Ist Militanz die Lösung?

Doch bevor wir zur Wurzel kommen, muss die Frage der Militanz geklärt werden. Dieser Punkt ist auch innerhalb der Bewegung umstritten, da viele nur friedliche Demonstrationen unterstützen und sich deutlich von den Ausschreitungen distanzieren. Seit Jahrzehnten wird in erster Linie friedlich demonstriert, und trotzdem stehen wir heute vor dieser Situation. Als 2016 Colin Kaepernick und in weiterer Folge viele weitere Spieler begannen in der NFL (National Football League) als Akt des Protests während der Nationalhymne zu knien, wurde auch das heftig kritisiert. Rechte, Konservative angeführt von Trump und die Polizei vernahmen das als Angriff gegen den amerikanischen Staat und drohten allen Spielern und Mannschaften, die sich solidarisierten. Schwarzer Protest wird, egal ob friedlich oder nicht, sobald er eine gewisse Reichweite erreicht, einfach nicht geduldet in den USA.

Rassistische Unterdrückung und unser kapitalistisches System sind nicht voneinander zu trennen. Der Kapitalismus profitiert weltweit davon, Menschen gegeneinander zu hetzen. Um soziale Missstände und ihre Ursachen, nämlich die Ausbeutung der unterdrückten Massen zu verschleiern, und um die eigene Herrschaft abzusichern liegt es im Interesse des kapitalistischen Systems bestehende Probleme rassistisch zu verklären. Nicht ohne Grund erleben wir in Zeiten kapitalistischer Krisen einen rasanten internationalen Rechtsruck. Antirassistische Proteste müssen sich wie die Praxis der letzten Tage ganz deutlich gezeigt hat, gegen den bürgerlichen Staat und letztlich auch gegen die kapitalistische Ordnung selbst richten. Denn der bürgerliche Staat ist historisch als Mittel zur Sicherung der Herrschaft des besitzenden Bürgertums (also der aufsteigenden Klasse der Kapitalist*innen) und zum Schutz des privaten Eigentums entstanden. Der Staat verteidigt mit allen Mitteln sein bürgerliches Recht und die kapitalistische Gesellschaftsordnung, also (1) ein Recht, dass es der Polizei erlaubt ohne Konsequenzen zu unterdrücken bis hin zu töten, während es Unterdrückte, die sich dagegen auflehnen mit aller Härte verfolgt; (2) eine Ordnung, die erlaubt, dass sich der ganze gesellschaftliche Reichtum in einigen wenigen Händen konzentriert, während Millionen in Armut und sozialer Not leben. Seine Organe die Polizei und das Militär sind bis auf die Zähne bewaffnet und diese Waffen nutzen sie auch. Die Morde an Schwarzen zeigen deutlich, dass der Terror von der Polizei ausgeht, auch wenn die Betroffenen unbewaffnet sind und friedlich demonstrieren. Die Wut die sich jetzt in den Riots entlädt ist daher ohne Wenn und Aber absolut gerechtfertigt. Wer dabei in den Vordergrund stellt wie schlimm es ist, wenn dabei auch mal Eigentum zerstört oder in Brand gesetzt wird – zudem ist hinlänglich bekannt, dass gerade die Zerstörung kleiner Geschäfte meist von zivilen Polizist*innen oder Rechten ausgeht, die versuchen aktiv Proteste zu eskalieren um im Nachhinein, das harte Vorgehen legitimieren zu können – muss sich die Frage stellen, wieso es aber gleichzeitig in Ordnung ist, wenn Afroamerikaner*innen seit Jahrzehnten, ja sogar Jahrhunderten, verfolgt und ermordet werden. Es reicht! Wir müssen uns jetzt mit allen Mitteln organisieren und massenhaft sowie militant dieses System stürzen!

Polizeigewalt in Österreich?

Polizeigewalt ist natürlich kein spezifisch amerikanisches Phänomen, wenngleich es aufgrund der Geschichte der Sklaverei, Segregation und Bürger*innenkriege dort nochmal eine besondere Qualität hat. Überall auch im ach so friedlichen Österreich ist Polizeigewalt ein Thema, das aus dem öffentlichen Bewusstsein gerne mal verdrängt wird. Marcus Omofuma, Richard Ibekwe, Bakary Jassey, Edwin Ndupu, Cheibani Wague, Yankuba Ceesay – sie alle fanden den Tod oder mussten schlimmste Misshandlungen durch die österreichischen Behörden ertragen. Der Umgang damit ist auch erschreckend. Zwischen Anfang 2017 und Mai 2019 gab es 3677 Misshandlungsvorwürfe gegen die Polizei, wovon gerade einmal 21 mit einer Verurteilung endeten. Bei über 1400 Fällen wurde nicht einmal ein Untersuchungsverfahren eingeleitet. Gleichzeitig ist es aber nicht selten, dass die Polizei umgehend Gegenklage wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt oder Verleumdung erhebt. Nicht nur, dass Widerstand damit kriminalisiert wird, werden auch zukünftige Betroffene und Aktivist*innen nachhaltig damit eingeschüchtert.

Wir können und dürfen dieses System nicht mehr länger hinnehmen. Es ist an der Zeit sich überall zu solidarisieren und weltweit gegen rassistische Polizeigewalt zu kämpfen. No Justice, No Peace – Fight the Police! 


Siehe auch