Neues Sparpaket in Griechenland: wie weiter?

Im Fernsehen, im Internet, und in den Zeitungen sehen wir Bilder von brennenden Autos, Jugendlichen mit Gasmasken und Schlagstöcken, und Polizisten, die sich in die Ecke gedrängt vor fliegenden Pflastersteinen schützen. Was ist los in Griechenland? Findet hier eine Revolution statt, versinkt das Land in Chaos, oder treibt es in einen Bürgerkrieg, wie manche Medien diese Frage besorgt in den Raum stellten? Zweifellos befindet sich das Land in einer politischen und ökonomischen Krise, die sozialen Gegensätze spitzen sich zu, die Menschen gehen auf die Straßen, Generalstreiks werden ausgerufen um das Land lahm zu legen, die Polizei setzt Tränengas ein, und das Militär steht in Bereitschaft auf den Straßen.

Ein Land am Abgrund

Griechenland ist eines jener Länder der Euro-Zone, welche abwertend als PIIGS-Staaten bezeichnet werden (Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien). Das deswegen, weil das die Staaten mit der bedrohlichsten Staatsverschuldungen sind, und mittlerweile auch klar ist, dass diese Staaten die großen Verlierer der kapitalistischen Krise 2007/08-2010 sind. Wie in den meisten europäischen Ländern gab es im letzten Jahr Rettungspakete für Banken und Konjunkturpakete in Milliardenhöhe, welche die ohnehin schon hohe Staatsverschuldung noch weiter steigerten. Die Staatsverschuldung in Griechenland war schon so hoch, dass das Land Kredithilfen der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) benötigte um einem Staatsbankrott zu entgehen. An diese Finanzhilfen sind als Bedingung natürlich harte Sparmaßnahmen gekoppelt um den Staatshaushalt auf Kosten der breiten Bevölkerung aufzubessern. Von den Zinsen der Kredite profitieren die Banken und Finanzinstitute, besonders französische und deutsche. Mittlerweile liegt die Staatsverschuldung Griechenlands bei 150% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und der Staatsbankrott droht erneut. Somit zwängte die EU dem Land am 29. Juni 2011 nun ein weiteres Sparpaket in der Höhe von 78 Milliarden Euro auf, um einen weiteren Kredit von 12 Milliarden Euro zu erhalten. Dazu kommt noch eine negatives Wirtschaftswachstum von -3%. Die Arbeitslosigkeit liegt mittlerweile bei 16%, Jugendliche sehen sich – wie zum Beispiel in Spanien auch – in einer besonders harten Situation, denn von ihnen sind 42% arbeitslos. Auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Lage mussten in der zweiten Hälfte von 2010 auch 60 000 kleinere Unternehmen schließen. Besonders bezeichnend für die miserable Lage in der Bevölkerung ist die Selbstmordrate, welche seit der Krise um 30% angestiegen ist.

Das neue Sparpaket

Am Mittwoch, 29.06. und Donnerstag, 30.06. wurde das Sparpaket im Parlament beschlossen. Die Abstimmung verlief mit 155 Stimmen dafür und 136 dagegen. Von den 78 Milliarden Euro, die das Sparpaket umfasst, sollen 50 Milliarden durch Privatisierungen und 28 Milliarden Euro durch Steuererhöhungen und Einsparungen zustande kommen. Zu den Privatisierungen zählen der Verkauf der Elektrizitätsgesellschaft DEI, von Teilen der Telefongesellschaft OTE, die staatliche Eisenbahn, die Landwirtschaftsbank ATE, das Lotterie- und Wettunternehmen OPAP, und die Häfen von Piräus oder Thessaloniki, zahlreiche Wohnungen und Grundstücke, als auch sogar kleinere Inseln. Hart gespart wird auch im öffentlichen Dienst. Sanken hier in der Vergangenheit die Einkommen schon um 20-30%, so werden diese nun noch einmal um ein Fünftel gekürzt. Besonders hart ist auch der Abbau von 150 000 öffentlichen Stellen bis 2015. Zusätzlich wird der Rest über Steuererhöhungen eingeholt. Das bedeutet eine weitere Erhöhung der Mehrwertssteuer für Bars und Cafés, beziehungsweise auch höhere Steuern auf Tabak, Alkohol, und Heizöl. Um das alles nicht total ungerecht erscheinen zu lassen gibt es als kleines Schmankerl zusätzlich noch eine Luxussteuer auf Jachten, Pools, und Autos.

Revolutionäre Situation

Für viele Griechinnen und Griechen ist klar was die Sparpakete für sie bedeuten, nämlich auf der einen Seite eine eine enorme Verschlechterung der eigenen Lebensverhältnisse, Unterordnung unter die Europäische Union und besonders unter deutsche und französische Kapitalinteressen, auf der anderen Seite keine wirkliche Lösung der gesellschaftlichen Probleme, bis hin zu einer Verstärkung der Rezession. Deswegen lehnt die Mehrheit der Bevölkerung dieses Sparpaket auch ab. Doch während im „arabischen Frühling“ die Menschen für demokratische Verhältnisse revoltierten, sieht sich die griechische Bevölkerung in einem bürgerlich-parlamentarischen Regime, welches sich immer stärker als eine Diktatur des Kapitals entpuppt. Die ArbeiterInnen, Arbeitslosen, Jugendlichen, und die ruinierten „Mittelschichten“ wollen diese Politik nicht mehr mittragen, sie gehen auf die Straßen, die Gewerkschaften haben mittlerweile den elften Generalstreik organisiert. Die Bewegung stößt immer mehr auf die Frage was die Alternative zu den Sparmaßnahmen oder zum Staatsbankrott sein kann und wie man diese erreichen kann. Die Proteste in Griechenland stehen vor der realen Frage in wessem Interesse die Gesellschaft weiter gestaltet werden soll, im Interesse der KapitalistInnen oder der ArbeiterInnen? Revolutionäre Umgestaltung oder Niederlage?

Seit Ende Mai hat sich die Bewegung auf öffentlichen Plätzen versammelt um sich zu vernetzen, Forderungen und weiteres Vorgehen zu diskutieren und zu beschließen, und die Bewegung weiter zu treiben. Mittelpunkt dieser Volksversammlungen ist der Syntagma-Platz in Athen. Im Juni wurde durchgehend protestiert um die breite Ablehnung des Sparpaketes auszudrücken und die Regierung zum Rücktritt zu zwingen. Am Mittwoch sollte dann im Parlament die Abstimmung erfolgen. Deswegen organisierten die Gewerkschaften schon ab Dienstag einen 48-stündigen Generalstreik um das Land lahm zu legen und die Abstimmung durch eine Blocke zu verhindern. Zehntausende umstellten schon am Dienstag das Gebäude, die Polizei setzte Tränengas ein und lieferte sich Straßenschlachten mit Jugendlichen. Sogar aus Berichten der bürgerlichen Medien kam nun heraus, wie die Polizei gezielt Provokateure einsetzte, um Ausschreitungen herbeizuführen und die Bewegung zu spalten und zu denunzieren. Letzten Endes mussten die Abgeordneten per Helikopter ins Parlament eingeflogen werden, wo sie letzten Endes das Sparpaket auch annahmen. Doch das ist noch nicht das Ende der Geschichte der griechischen Proteste, was ist also notwendig um die Bewegung zum Sieg zu führen?

 

Durch die Volksversammlungen, Proteste, und Generalstreiks wurde ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gesetzt. Doch es zeigt sich auch, dass eintägige oder gar zweitägige Generalstreiks nicht ausreichen um die Regierung oder die Abgeordneten stark genug unter Druck zu setzen, um weitere Einsparungen zu verhindern, durch Reformen soziale Gerechtigkeit herzustellen und die politischen und wirtschaftlichen Probleme des Landes zu lösen. Auch eine neue Regierung wird nicht einfach eine bessere Linie einschlagen können. Für die Bewegung muss ein revolutionäres Programm dienen, um das kapitalistische System selbst aus den Angeln zu heben:

* Die Volksversammlungen müssen zu wirklichen demokratischen Gremien an der Basis gewandelt werden, welche durch demokratische Mehrheitsentscheidungen und einer zentralen Vernetzung durch Delegierte die Bewegung weiter führen können.

* In den Betrieben müssen Komitees der Beschäftigten gebildet werden, um vor Ort gegen Betriebsschließungen, Entlassungen, etc. vorgehen zu können. Diese Betriebskomitees müssen sich wie auch die Volkskomitees demokratisch organisieren und vernetzen.

* Die Bewegung benötigt Strukturen zur Selbstverteidigung um sich gegen Übergriffe von Polizei oder Rechten zur Wehr setzen zu können, und um die eigenen Strukturen zu verteidigen.

* Es muss ein unbefristeter Generalstreik durch Kampagnen und Komitees an den Betriebenorganisiert werden um die öffentliche Ordnung lahm zu legen und die Regierung zu stürzen.

* Eine neue Regierung muss sich auf demokratische Gremien der ArbeiterInnen und Jugendlichen stützen.

* Die Schulden bei Banken und Finanzinstituten müssen gestrichen werden.

* Die Banken und die wichtigsten Konzerne müssen enteignet und unter die demokratische Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden.