European Gas Konferenz

Seit Jahren sind Klimaaktivist*innen in den Medien und lenken die öffentliche Aufmerksamkeit auf das wichtigste Thema unserer Zeit: die Klimakrise. Auch am 28. März wird es wieder eine Großdemonstration gegen den fossilen Energiesektor geben. Es versammeln sich nämlich die relevantesten Energiekonzerne in Wien, um unter anderem die Perspektive von Gas zu diskutieren. Eine Eintrittskarte kostet 3000 Euro und es werden hier Entscheidungen angekündigt und getroffen, die das Untergehen unserer Zukunft zementieren werden.

Die Fossile Industrie und ihr Kongress

Für die European Gas Conference verschlägt es vom 27. bis zum 29. März Vertreter*Innen aller wichtigen Energiekonzerne nach Wien, darunter Total Energy, Shell, BP, RWE und Eni sowie die OMV. Gesponsert wird der Gipfel von Finanzunternehmen wie Black Rock und der Raiffeisenbank.
Hundert private Meetings mit Konzernvertreter*Innen und Politiker*Innen sowie den Vorträgen von sogenannten Expert*Innen, die allesamt leitende Personen innerhalb der Energiekonzerne sind, verspricht die Konferenz das wichtigste Lobbytreffen der Industrie des Jahres zu werden.
Die Botschaft der einzelnen Vorträge und dem Gipfel als ganzes ist dabei klar: Erdgas ist ein Rohstoff der Zukunft, der eine grünere Alternative zu Öl und Kohle aufgrund seiner saubereren Verbrennung mit einem niedrigeren Ausstoß an giftigen Stoffen darstellt. Es sei von der Politik also sicherzustellen, dass Erdgas auch in den kommenden Jahrzehnten einen fixen Platz im Energiemix hat. Schon jetzt zeigen die Bemühungen der Industrie erste Erfolge, denn von der EU wurde Erdgas kürzlich bereits als umweltverträglicher Rohstoff eingestuft.
Außerdem seien neue Investitionen in die entsprechende Infrastruktur notwendig, um Europa für die nächsten Jahrzehnte politisch und wirtschaftlich abzusichern, nicht zuletzt wegen des Ukrainekrieges, aufgrund dessen kein Erdgas mehr von Russland gekauft werden kann. In diesem Sinne werden auf der Konferenz neben der Trans Adriatic Pipeline vor allem Projekte in Afrika und Asien beworben.
In den Broschüren der verschiedenen Zusammenschlüsse der Industrie wird damit geprahlt, dass gerade in verarmten Gebieten der Anschluss an das Gasnetz sehr positive Auswirkungen auf die Luftqualität und Gesundheit der lokalen Bevölkerung hat. Eine Investition in diesem Bereich seien also nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern regelrechte selbstlose Sozialprojekte.
Unverzichtbar sei der Rohstoff auch in der Produktion von Dünger und Wasserstoff.

Grünes Erdgas?

Die tatsächlichen ökologischen Konsequenzen der Erdgasindustrie werden während der ganzen Konferenz nicht behandelt. Die Förderung und Verwendung von Erdgas erzeugt rund 25% der weltweiten Treibhausgase. Speziell die absichtliche, als auch unabsichtliche Freisetzung von Methan in die Atmosphäre bei Produktion und Transport wird von den Konzernen seit Jahrzehnten de facto ignoriert.
Jede neue Investition in Infrastruktur für die Unternehmen wie Total Energy oder BP, die heute getätigt wird, sorgt dafür, dass die weltweiten Emissionen der Industrie für die nächsten 50 Jahre nicht nur auf dem derzeitigen hohen Stand bleiben, sondern auch noch weiter anwachsen. Der Ausbau festigt weiter unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und der Ausbau bindet außerdem Ressourcen, die für eine schnelle Energiewende dringend gebraucht werden.
Was die Konferenz versteckt, ist, dass sämtliche vertretende Unternehmen nicht nur Produzenten von Erdgas sind, sondern auch von Kohle und Erdöl. Sie sind nicht nur die wichtigsten Verursacher des Klimawandels, sondern profitieren auch am meisten von der weltweiten Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Ihr objektives Interesse am Erhalt der derzeitigen Energieversorgung drückt sich unter anderem dadurch aus, dass die Energiekonzerne ihre enorme politische Macht dafür nutzen, gegen staatliche Programme zur Umstellung von fossilen Energieträgern, für z.B. Heizen und Kochen, auf erneuerbare Energieträger zu verhindern.

Aber warum wird das getan? Ist Erdgas wirklich die einzige Lösung in der Energie und Umweltkrise? Was sind unsere Alternativen? Wir müssen die Frage von der anderen Seite beantworten: Wir können uns nicht mehr leisten, immer wieder auf umweltschädliche fossile Energien zurückzugreifen – was können wir also tun? Dafür ist wichtig zu betonen: Wer trifft den momentan die Entscheidung, wie viel Energie wofür zur Verfügung steht? Der mit Abstand höchste Energieverbrauch findet in der Produktion und Verkehr statt, und zwar in faktisch jedem Land. Verkehr ist hierbei auch stark verknüpft mit Logistik. Die Entscheidung, wie diese stattfindet, liegt bei den Unternehmen und ist damit nicht demokratisch legitimiert. Ähnlich wie bei der Gaskonferenz, kommen Leute zusammen, die kein Entscheidungsrecht haben, entscheiden für uns, wie und warum produziert wird und behaupten dann, dass es leider nur mit fossilen Brennstoffen geht, dass „unsere“ Bedürfnisse nach Energie gedeckt werden.
Wir wollen stattdessen gemeinsam entscheiden, wo und warum Energie genutzt wird. Die umweltfeindlichsten Bereiche, die, wo es möglich ist, sowieso abgeschafft werden müssen, sind auch die, die häufig den höchsten Energieverbrauch haben. Statt riesigen Leuchtreklamen und Just in Time Auto Transporten könnten wir uns demokratisch für einen Ausbau des Schienennetzes und erneuerbarer Energie einsetzen. Wenn wir die demokratische Macht dazu hätten, dies zu entscheiden.
Deshalb kämpfen wir für eine bedingungslose Enteignung und politische Kontrolle über Entscheidungen des Energiesektors.

Fossile Energie und der europäische Imperialismus

Für Jahrzehnte war Russland für Europa ein wichtiger Lieferant für fossile Energieträger. Nach der erneuten Eskalation des Krieges in der Ukraine kam es zu einer verstärkten Blockbildung zwischen Russland auf der einen Seite und der EU sowie der USA auf der anderen, die zu einer Einstellung des Handels mit Erdgas führte. Der europäische Imperialismus ist daher auf der Suche nach einer anderen Bezugsquelle für Erdgas und Erdöl, die am besten möglichst kontrollierbar und billig ist.
Ein Beispiel für jene Entwicklung ist die bereits 2020 fertig gestellte Transadriatische Pipeline, die Erdgas aus Aserbaidschan, einem engen westlichen Verbündeten, über die Türkei nach Griechenland und Italien liefert. Ebenfalls in Planung ist die Transsahara Pipeline, die Erdgas aus Nigeria durch Niger bis an die algerische Mittelmeerküste bringen wird. Ob der Bau, wie von den drei beteiligten Ländern vorgesehen, wirklich ohne der Beteiligung ausländischer Unternehmen passieren wird, bleibt abzuwarten.
Die Bemühungen der Energiekonzerne um die Erschließung neuer Quellen für fossile Brennstoffe beschränken sich nicht nur auf Erdgas, sondern inkludieren auch Erdöl. So wird derzeit eine neue Pipeline für Rohöl in Ostafrika vom französischen Unternehmen Total Energy gebaut, das ebenfalls auf der Konferenz in Wien vertreten ist. Die Pipeline soll die Ölfelder in Uganda mit dem Hafen von Tanga in Tansania verbinden. Das Projekt führte bereits zu mehreren rücksichtslosen Umsiedelungen von Gemeinschaften, durch deren landwirtschaftliche Flächen die Pipeline führen wird und bedroht die wirtschaftliche Lebensgrundlage und Wasserversorgung der Bevölkerung. Es wird davon ausgegangen, dass das Lake Vikoria Basin besonders stark durch Wasserverschmutzung und Erosion geschädigt werden wird.
Die Gewinne aus der Anlage gehen größten Teils an den Konzern Total Energy und zu einem kleineren Anteil staatlichen Ölkonzernen von Tansania und Uganda. Man kann nicht erwarten, dass die geschädigte Bevölkerung vor Ort jemals etwas von den Milliarden an Gewinnen aus der Unternehmung sehen wird.
Wir müssen international kämpfen, weil wir in den imperialistischen Ländern Druck aufbauen müssen, damit die ökonomische Abhängigkeit geschwächt wird. Die Menschen in halbkolonialen Ländern, die am stärksten unter der Klimakrise leiden, können dadurch effektiver dafür kämpfen, dass sie selbst in der Lage sind, Energieprojekte in einer nachhaltigen Art und Weise zu managen.
Wir kämpfen deshalb unter anderem für die Streichung aller Schulden, die halbkoloniale Länder an imperialistische Länder zu zahlen hätten.

Gewinner der Energiekrise auf unsere Kosten

Die Konzerne im Öl- und Erdgassektor sind nicht nur für ihre klimaschädlichen Geschäfte und politische Einflussnahme zu verantworten. Die Firmen konnten in der derzeitigen Gaskrise ihre Profite enorm steigern, vor allem auf Kosten von Lohnabhängigen, die sich die gestiegenen Heizkosten kaum noch leisten können. Keine einzige europäische Regierung ist gewillt, dem Wucher durch Preisobergrenzen oder Vergesellschaftungen ernsthaft Einhalt zu gebieten, denn man möchte ja nicht die Profitraten eines so wichtigen Klientel wie der Erdölindustrie einschränken. So beschränken sich staatliche Hilfen für die Arbeiter*Innenklasse auf kleine Einmalzahlungen, die keine wahre Entlastung schaffen. Die jetzige Inflation, die von den Energiepreisen getrieben wird, trifft vor allem die Haushalte, die nicht in der Lage sind zu sparen und die Kosten, die jetzt auf sie zukommen, nicht wirklich abfangen können.
Auch die Menschen, die in nicht nachhaltigen Bereichen arbeiten, haben in diesen Branchen keine Zukunft. Wir brauchen ihre Expertise und ihr Können für eine nachhaltige Umstellung der Wirtschaft. Sie sind diejenigen, die ein tatsächliches Interesse daran haben, ihre Unternehmen und Konzerne umzugestalten und zu nutzen, was zu nutzen ist und aufzugeben und zu verhindern, was die Klimakrise weiter anheizt.
Wieder einmal sehen wir alle nur zu gut, warum sich Arbeiter*Innen und Jugendliche nur auf sich selbst verlassen können. Hoffnungen auf Preisobergrenzen und finanzielle Hilfen werden vergebens sein, wenn sie nicht durch Streiks und Besetzungen erzwungen werden. Keine Profite mit Heizen und Miete! Vergesellschaftung der Energiekonzerne unter Arbeiter*Innenkontrolle ohne Entschädigungen!

Eine neue Klimabewegung

Im deutschsprachigen Raum haben die Proteste gegen die Räumung von Lützerath in Deutschland sowie die Besetzung der Baustellen für die Stadtautobahn in Wien zu einer klaren Radikalisierung der Klimabewegung geführt. Gerade die Erfahrungen mit Polizeigewalt und die absolute Unwilligkeit der Grünen in beiden Ländern, bei ihren Versprechen für mehr Klimaschutz zu bleiben, hat viele junge Aktivist*Innen zum Umdenken bewegt. Doch dieses Umdenken beschränkt sich oft nur auf eine höhere Stufe an „Radikalität“ bei den eigenen Aktionen, wie den Unibesetzungen von End Fossil oder dem Festkleben an Straßen durch die Gruppe Letzte Generation. Nicht geändert hat sich aber, an wen diese Forderungen gerichtet werden und wer die Klimakrise lösen soll: Bürgerliche Regierungen und deren Staatsapparat.
REVOLUTION sieht sich als Teil der Klimabewegung und wir stehen solidarisch zu allen Gruppen, die sich an diesem entscheidenden Kampf beteiligen. Jedoch sehen wir, dass das Unterfangen, die Klimakrise durch ein das Appellieren an ein Parlament oder besonders radikale Einzelaktionen, nicht zu lösen ist. Daher schlagen wir einen neuen, klassenkämpferische und internationalistischen Weg vor.

Klasseninteressen in Zeiten der Klimakrise

In der Klimakrise sitzen nicht alle im gleichen Boot. Wie auch die Erzeugnisse des kapitalistischen Wirtschaftssystems national und international sehr ungleich verteilt werden, so werden auch die Lasten des Kapitalismus von manchen Menschen stärker getragen als von anderen. Besonders betroffen sind Jugendliche und Arbeiter*Innen, sowie Menschen außerhalb der imperialistischen Zentren. Sie profitieren kaum von der erhöhten Produktivität durch die rücksichtslose Ausbeutung der Umwelt und haben meist nicht die Möglichkeit vor den schlimmsten Folgen des Klimawandels wie Überflutungen, Luftverschmutzung und Dürre zu fliehen. So ist es Menschen mit großen finanziellen Mitteln möglich, ihre Häuser zu klimatisieren oder einfach in weniger stark betroffene Gebiete umzusiedeln.

Für Kapitalist*Innen, also Menschen, die Kontrolle über Produktionsmittel wie z.B. Fabriken ausüben, verspricht jedoch jedes Jahr ohne Klimaschutz höhere Gewinne. Auch haben sie die notwendigen Ressourcen, um gegebenenfalls den Folgen ihres eigenen zerstörerischen Handelns aus dem Weg gehen zu können.
Sogar wenn sich einzelne Unternehmer*Innen gegen ihr eigenes objektives Interesse, für härtere Klimaschutzmaßnahmen im eigenen Betrieb entscheiden, würden sie aufgrund der dadurch stärkeren Konkurrenz schnell an Bedeutung verlieren.
Das Kapital als Klasse stellt sich also nicht aufgrund von Unwissenheit gegen stärkeren Umweltschutz, sondern aufgrund des eigenen materiellen Interesses und dem ökonomischen Zwang, am Weltmarkt profitabel und wettbewerbsfähig zu bleiben. Da die Kapitalist*Innenklasse als ganzes die meisten Mittel für Lobbying und Propaganda zur Verfügung hat, werden die Interessen des Kapitals auch in Fragen des Klimaschutzes von den bürgerlichen Regierungen jeder Art rücksichtslos durchgesetzt. Daran ändert auch eine Regierungsbeteiligung der Grünen nichts.
Der Kampf gegen den Klimawandel ist immer ein Kampf gegen das Kapital. In der Klimakrise teilen sich die Interessen von Menschen also nicht nach Bildungsgrad oder dem persönlichen Wissen über den Klimawandel, sondern nach der Klassenzugehörigkeit. Als Klimabewegung ist es unsere Aufgabe, stets den Kontakt zu den Massen an Jugendlichen und Arbeiter*Innen zu suchen, die das größte objektive Interesse (weil es um ihr Überleben geht) an einer konsequenten Klimapolitik haben. Diese Gruppen müssen wir für den gemeinsamen Kampf für unsere Zukunft mobilisieren. Genauso wie wir es nicht schaffen, die Klimakrise durch unser persönliches Konsumverhalten abzuwenden, reicht es auch nicht aus, mit isolierten Aktionen und Aktivismus einer kleinen Szene Aufmerksamkeit zu generieren. Wir wollen eine Bewegung werden und dafür müssen wir den Kampf für einen Systemwechsel in die Schulen und Unternehmen tragen.
Als Aktivist*Innen innerhalb des imperialistischen Kerns sollten wir die Kämpfe von Arbeiter*Innen und Jugendlichen gegen Ausbeutung und Klimawandel in den Halbkolonien als unsere eigenen sehen. Nur eine breite, internationale, antikapitalistische Bewegung wird in der Lage sein, die Produktionsverhältnisse weltweit ökologisch und sozial zu gestalten. Diese Aufgabe ist weder den eigenen Parlamenten noch irgendeiner parlamentarischen Partei zuzutrauen, da jene Institutionen in der Vergangenheit schon zu oft gezeigt haben, dass sie sich stets dem Willen der Kapitalist*Innen beugen werden.
Unsere Forderungen sollen nicht den Anschein erwecken, dass kapitalistische Staaten diese tatsächlich eines Tages umsetzen könnten. Aber sie geben uns einen klaren Weg vor, um erfolgreich zu sein und zeigen auf, welche Schritte notwendig sind, um die jetzige Krise zu überwältigen. Forderungen sollten aber auch immer versuchen, eine Brücke zwischen dem derzeitigen Bewusstsein der Menschen zu diesen notwendigen Maßnahmen zu spannen.
Daher sagen wir: Nein zu neuer Infrastruktur von Erdgas! Nein zur Ausbeutung von Rohstoffen in den Halbkolonien durch imperialistische Staaten! Nein zu Treffen zwischen Industrie und Politik, die immer nur der Maximierung des eigenen Profits dienen! Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern, auch Erdgas! Keine Profite mit Heizen und Miete, die Lasten der Wirtschaftskrise sollen nicht von Arbeiter*innen und Jugendlichen getragen werden. Enteignung der Energiekonzerne unter Arbeiter*Innenkontrolle.
Klimaschutz heißt Klassenkampf: Vernetzung von Klimabewegung und Gewerkschaften! Es gibt keinen grünen Kapitalismus, Klimaschutz muss antikapitalistisch und internationalistisch sein! Kein Vertrauen in bürgerliche Staaten und Parteien!


Siehe auch