Occupy Wall Street – Beginn einer amerikanischen Revolution?

Wenn man heute die New Yorker Wall Street entlang spaziert trifft man nicht auf die üblichen Banker, die draußen Mittagspause machen, sondern kampierende Demonstranten und Demonstrantinnen. Sie blockieren den Zuccotti Platz in Manhattan und protestieren gegen die Armut und Ausbeutung. Der Zucotti Platz ist nach einem Spekulanten benannt, der angeblich 2006 die New Yorker Finanzen gerettet haben soll. Die BesetzerInnen haben ihm seinen ursprünglichen Namen „Liberty Plaza“ wieder verliehen.

Täglich schlagen mehr Menschen, die nicht länger in elenden Zuständen leben wollen ihr Lager auf der Wall Street auf – und die Bewegung breitet sich aus. An vielen weiteren Orten finden Solidaritätskundgebungen und Demos statt, teilweise schalten sich auch GewerkschafterInnen ein. Es gibt internationale Solidaritätsaktionen mehreren hundert Städten wie zB. in London, Berlin, Frankfurt und eine Demonstration in Wien. Zurzeit harren die BesetzerInnen in New York trotz erstem Schnee aus.

Kann das der Beginn einer amerikanischen Revolution sein?

 

 

 

Amerika – DAS kapitalistische Land

 

Die USA ist wohl das Land mit der meisten Macht im globalen Kapitalismus. Von der Finanzkrise von 2008 haben sich dementsprechend die Konzerne wieder erholt – wer die Folgen jedoch immer noch tragen muss, ist die lohnabhängige Bevölkerung. Die Armut ist in den letzten drei Jahren stetig gestiegen. Eines von fünf Kindern wächst, laut Statistiken, in Armut auf. Eine vierköpfige Familie gilt dann als arm, wenn sie weniger als 22.350 Dollar im Jahr zur Verfügung hat. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 9,1 %, im Frühsommer standen 5,5 Millionen Haushalte vor der Zwangsräumung. Die meisten Menschen sind nicht krankenversichert. Auf der anderen Seite geht es dem Konzernriesen Walmart, den Banken und den Ölkonzernen wieder gut – sie wurden durch eine staatlich finanziertes Rettungspaket aus der Krise geholt.

Diesen Umstand hat die Bewegung „Occupy Wall Street“ erkannt und betitelt ihn mit einer ihrer Slogans „Wir sind 99 Prozent“ – jene 99 Prozent der Menschen, die ausgebeutet werden damit das restliche Prozent in Überfluss leben kann.

 

Organisierte Bewegung?

 

Doch wie wehrt sich die Bewegung gegen dieses eine Prozent? Viele Menschen haben sich über das Internet vernetzt und nehmen nun am Protest teil. Auf dem Liberty Platz selbst gibt es mittlerweile eine Sanitätsstation, eine Küche, eine Bibliothek und ein Medienzentrum, in dem die Videos und Texte für Facebook und Twitter entstehen. Es gibt täglich Hauptversammlungen, in denen man sich bespricht. Auch zahlreiche linke Prominente haben die Besetzung „besucht“.

In einem Aufruf zur Solidarität schreibt Occupy Wall Street: „We come to you at a time when corporations, which place profit over people, self-interest over justice, and oppression over equality, run our governments. We have peaceably assembled here, as is our right, to let these facts be known.” – “Wir kommen zu euch in einer Zeit, in der Unternehmen, welche Profite über Menschen, Eigen-Interesse über Gerechtigkeit, und Unterdrückung über Gleichberechtigung stellen, unsere Regierungen innehaben. Wir haben uns hier friedlich versammelt, wie es unser Recht ist, um diese Tatsachen ans Licht zu bringen“. Es folgt eine Aufzählung von scheußlichen Fakten aus des kapitalistischen Systems, unter anderem die beabsichtigte Ungleichheit am Arbeitsplatz aufgrund von Geschlecht oder Abstammung, der andauernde Versuch Angestellte um ihre Rechte zu bringen, der Einsatz von polizeilicher und militärischer Gewalt um die Pressefreiheit zu unterbinden usw. Abschließend ruft die Bewegung dazu auf „die Macht in die Hand zu nehmen“.

Tausende GewerkschafterInnen riefen vor dem Kongress in Washington „Wir sind das Volk“. Sie wollen den „amerikanischen Traum“ retten und bei den Wahlen ein linkes Gegenstück zur rechten Tea Party darstellen. Präsident Obama wollen sie wieder „auf seine ursprüngliche Position holen“. Diese Vorstellungen sind bestenfalls  heuchlerisch und weit entfernt von dem eigentlichen Protest, in dem es nicht um die Wahlen sondern um die schlechte Lebenssituation der Menschen geht!

 

Reaktionen der Polizei…

 

Die Besetzung blieb von der staatlichen Repression natürlich nicht verschont. Anfang Oktober wurden auf einer Demo auf der Brooklyn Bridge und dem Versuch auch diese zu besetzen  700 Personen, die friedlich demonstrierten, festgenommen. Mehrere junge Frauen wurden außerdem aus der Nähe mit Pfefferspray attackiert. Diese Reaktion der Polizei, die den kapitalistischen Staat und seine Interessen stützen soll, war zu erwarten. Ende Oktober geht die Polizei noch härter vor. In Oakland wurde einem Mann während der Räumung eines Platzes ins Gesicht geschossen. Er wurde mit schweren Kopfverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. An vielen weiteren Orten wurden Menschen festgenommen und Plätze geräumt. Trotzdem halten die BesetzerInnen immer noch stand.

 

…und den Medien

 

Von den Medien könnte man beinahe denken, dass sie anfangs versucht haben, die Besetzung zu boykottieren. Über eine Woche lang berichteten, außer linken Medien, fast keine darüber.Hier sieht man wie sehr die Medien die Interessen der Banken und Konzerne vertreten und diese auch schützen. Das macht eine objektive oder gar unterstützende Berichterstattung über die Besetzung fast unmöglich. Deshalb verbreiten die BesetzerInnen mittlerweile ihre eigenen Medien über das Internet und schreiben Zeitungen und Flugblätter.

Politische Reaktionen von der rechten Seite sind aus den Reihen der Republikaner zu hören. Präsidentschaftskandidat Cain sagt: „Wer keinen Job hat, soll sich selbst verantwortlich machen. Aber nicht die Wall Street oder die Regierung“. Ein weiterer Kandidat, Mitt Romney, nennt die Occupy Wall Street Bewegung „gefährlichen Klassenkampf“.

 

Perspektive

 

Die Bewegung als gefährlichen Klassenkampf einzustufen ist doch ein bisschen übertrieben, hat sie doch keinerlei wirtschaftliche Auswirkungen, die dem kapitalistischen System ernsthalft schaden. Aber die Besetzung ist ein Lebenszeichen der amerikanischen Bevölkerung, ein Aufschrei gegen die Unterdrückung. Der Protest hat sich bereits auf andere Teile der USA und andere Länder ausgeweitet.Die BesetzerInnen sollten sich mit allen Solidarität bekundenden Aktionen vernetzen und gemeinsame Versammlungen abhalten. Diese Versammlungen müssen jedoch strukturiert ablaufen und demokratisch gewählte VertreterInnen haben, die für die Vernetzung zuständig sind. Die Bewegung benötigt Strukturen zur Selbstverteidigung um sich gegen Übergriffe von Polizei oder Rechten zur Wehr setzen zu können, und um die eigenen Strukturen zu verteidigen.

Doch nur die Besetzung alleine wird nicht ausreichen um Forderungen durchzusetzen. Die Gewerkschaft muss wegkommen von ihrer heuchlerischen Position „ den amerikanischen Traum retten“ zu wollen und die Aktion kämpferisch unterstützen. Sie muss Streiks und Generalstreiks der Lohnabhängigen organisieren. Denn nur wenn die, auf die der kapitalistische Staat angewiesen ist um aus ihnen Mehrwert und Profite zu schlagen, streiken, wird der Staat auch wirklich getroffen. Dann hat die Bewegung ein Druckmittel um ihre Forderungen einzubringen. Die Menschen auf der Wall Street bringen die richtige Kritik am System ein, doch müssen sie auch erkennen, dass sie dieses System nie durch Reformen werden ändern können. Nur der Sturz des Kapitalismus und der Kampf für den Sozialismus kann sie im Endeffekt von ihrem Elend befreien.

Occupy Wall Street ist nicht der Beginn einer amerikanischen Revolution – aber es kann der Beginn von größeren Protesten sein und Menschen die Augen öffnen um ihnen einen Ausweg aus der Unterdrücken darzulegen.

 

In diesem Sinne: „Wessen Straße? – Unsere Straße!“